Chroniken der Unterwelt Bd. 1 City of Bones
Hand wieder weiß. Mit gerunzelter Stirn beendete er seine Reinigungsprozedur.
»Aber Hodge«, rief Clary verzweifelt, »haben Sie denn nicht gehört, was Valentin gesagt hat? Er wird Jace umbringen.«
»Das hat er nicht gesagt.« Hodge stand nun vor seinem Schreibtisch, zog eine Schublade auf und holte ein Blatt Papier hervor. Dann nahm er einen Füllfederhalter aus seiner Sakkotasche und klopfte ihn mehrmals auf die Schreibtischkante, um die Tinte zum Fließen zu bringen. Clary starrte ihn an. Was hatte er vor? Wollte er einen Brief schreiben?
»Hodge«, setzte sie an, »Valentin hat gesagt, Jace würde bald bei seinem Vater sein. Jace’ Vater ist tot. Was könnte er also anderes gemeint haben, als ihn umzubringen?«
Hodge blickte nicht auf, sondern kritzelte etwas auf das Papier. »Das Ganze ist kompliziert. Du würdest es nicht verstehen.«
»Dafür verstehe ich aber etwas anderes.« Die Bitterkeit in ihrer Stimme fühlte sich an, als würde sie ihr die Zunge verätzen. »Ich verstehe zum Beispiel, dass Jace Ihnen vertraut hat und Sie ihn an einen Mann verkauft haben, der seinen Vater gehasst hat und wahrscheinlich auch Jace hasst – und zwar nur deshalb, weil Sie zu feige sind, mit der Strafe zu leben, die Sie verdient haben.«
Hodge hob ruckartig den Kopf. »Das glaubst du also?«
»Das weiß ich.«
Er legte den Federhalter beiseite und schüttelte den Kopf. Er wirkte müde und so alt, so viel älter als Valentin, obwohl sie ungefähr der gleiche Jahrgang sein mussten. »Du kennst nur winzige Teile der ganzen Geschichte. Und das ist auch besser so.« Er faltete den Brief zu einem exakten Quadrat und warf ihn ins Feuer, wo er mit einer leuchtend grünen Stichflamme aufloderte und dann zerfiel.
»Was machen Sie da?«, fragte Clary in forderndem Ton.
»Eine Nachricht verschicken.« Hodge drehte sich vom Feuer weg und stellte sich direkt vor sie, nur getrennt durch die unsichtbare Mauer. Clary presste ihre Hände dagegen und wünschte, sie könnte ihm die Fingernägel in die Augen graben – auch wenn diese sie traurig musterten. »Du bist noch jung«, sagte er. »Für dich hat die Vergangenheit keinerlei Bedeutung; du empfindest sie weder als ein anderes Land, so wie die Alten sie sehen, noch als Albtraum, wie die Schuldigen sie sehen. Der Rat hat mich mit diesem Fluch belegt, weil ich Valentin geholfen habe. Aber ich war keineswegs das einzige Mitglied des Kreises, das ihm gedient hat. Sind die Lightwoods nicht genauso schuldig wie ich? Und was ist mit den Waylands? Trotzdem bin ich der Einzige, der zu einem Leben fern jeden Sonnenstrahls verurteilt wurde. Ich kann keinen Fuß vor die Tür setzen, nicht mal eine Hand aus dem Fenster strecken.«
»Das ist nicht meine Schuld«, erwiderte Clary. »Und auch nicht die von Jace. Warum bestrafen Sie ihn für das, was der Rat Ihnen angetan hat? Ich kann ja verstehen, dass Sie Valentin den Kelch gegeben haben, aber Jace? Valentin wird Jace töten, genau wie er seinen Vater getötet hat …«
»Valentin hat Jace’ Vater nicht getötet«, entgegnete Hodge.
»Das glaube ich Ihnen nicht!«, schluchzte Clary nun. »Sie erzählen doch nur Lügen! Alles, was Sie jemals gesagt haben, war eine Lüge!«
»Ah«, meinte Hodge, »der moralische Absolutismus der Jugend, der keinerlei Konzessionen erlaubt. Kannst du denn nicht erkennen, Clary, dass ich auf meine Art und Weise versuche, ein guter Mensch zu sein?«
Sie schüttelte den Kopf. »So funktioniert das nicht. Ihre guten Taten machen Ihre schlechten nicht ungeschehen. Aber …« Sie biss sich auf die Lippe. »Aber wenn Sie mir verraten würden, wo ich Valentin finde …«
»Nein«, stieß er leise hervor. »Es heißt, dass die Nephilim die Kinder von Menschen und Engeln sind. Aber dieses himmlische Erbe hat nur dazu beigetragen, dass wir aus größerer Höhe fallen.« Er berührte die unsichtbare Mauer mit den Fingerspitzen. »Du bist nicht als eine der Unsrigen aufgewachsen. Du hast keinen Anteil an diesem Leben voller Narben und Töten. Du kannst immer noch fortgehen. Verlasse das Institut, Clary, so schnell wie möglich. Gehe fort und komm nie mehr zurück.«
Clary schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht«, erwiderte sie.
»Ja dann: mein herzliches Beileid.« Er drehte sich um und verließ die Bibliothek.
Als die Tür hinter Hodge ins Schloss fiel, blieb Clary in der Stille allein zurück. Außer ihrem rasselnden Atem und dem Kratzen ihrer Fingernägel an der unsichtbaren Mauer war nichts zu
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