Chroniken der Unterwelt Bd. 1 City of Bones
Decke; eine dunkle Flüssigkeit sickerte durch ihre Risse. Clary hatte das unbestimmte Gefühl, dass irgendetwas an dem Raum nicht stimmte, dass etwas fehlte, doch jeder Gedanke daran wurde von einem überwältigenden Geruch nach nassem Hundefell verdrängt.
Sie setzte sich auf und wünschte sofort, sie hätte sich nicht von der Stelle gerührt. Bohrende Kopfschmerzen pochten in ihrem Schädel, gefolgt von einem quälenden Anflug von Übelkeit. Wenn sie irgendetwas im Magen gehabt hätte, hätte sie sich jetzt übergeben.
Über der Pritsche baumelte ein Spiegel an einem Nagel, den jemand zwischen zwei Mauersteine geschlagen hatte. Sie warf einen Blick hinein und schrak entsetzt zurück. Kein Wunder, dass ihr Gesicht derart schmerzte – von ihrem rechten Auge erstreckten sich mehrere lange, tiefe Kratzer bis zu ihrem Mundwinkel. Ihre rechte Wange war blutverkrustet und auch ihr Hals und der vordere Bereich ihres T-Shirts und ihrer Jacke starrten vor Blut. In einem plötzlichen Anfall von Panik griff sie in ihre Tasche und entspannte sich wieder. Die Stele war noch da.
In diesem Moment erkannte sie auch, was an dem Raum so merkwürdig war. Eine der Wände bestand nicht aus Steinen, sondern aus einem Gitter – dicke Eisenstäbe, die von der Decke bis zum Boden reichten. Sie befand sich in einer Gefängniszelle.
Adrenalin schoss durch ihre Adern und Clary versuchte, schwankend aufzustehen. Ein starker Schwindelanfall erfasste sie wie eine Woge und sie klammerte sich am Tisch fest. Ich werde nicht in Ohnmacht fallen, ermahnte sie sich eisern. Und dann hörte sie Schritte.
Irgendjemand kam den Flur vor der Zelle entlang. Clary wich zurück und lehnte sich gegen den Tisch.
Es war ein Mann. Er trug eine Laterne, deren Licht viel heller strahlte als der matte Schein der roten Kerze und Clary blendete. Sie musste blinzeln und konnte nur eine schattenartige, große Gestalt ausmachen, mit breiten Schultern und wirrem Haar. Erst als sie die Zellentür öffnete und den Raum betrat, erkannte sie, wer es war.
Er sah aus wie immer: alte Jeans, dickes Holzfällerhemd, Arbeitsstiefel, strubblige Haare, hochgeschobene Brille. Die Narben an seiner Kehle, die sie bei ihrem letzten Besuch in seiner Wohnung bemerkt hatte, waren größtenteils verheilt und schimmerten hell.
Luke.
Plötzlich wurde es Clary einfach zu viel. Erschöpfung, der Mangel an Schlaf und Nahrung, das Gefühl der Angst und der Blutverlust schlugen über ihr zusammen wie eine tosende Welle. Sie spürte, wie ihre Knie nachgaben und ihr die Beine wegsackten.
Im Bruchteil einer Sekunde war Luke bei ihr. Er durchquerte den Raum derart schnell, dass sie nicht einmal den Boden berührt hatte, als er sie auch schon auffing und hochhob – so wie er sie als kleines Kind in die Luft gewirbelt hatte. Er legte sie auf die Pritsche, trat einen Schritt zurück und musterte sie besorgt. »Clary? Alles in Ordnung?«, fragte er und streckte eine Hand nach ihr aus.
Clary zuckte zurück und riss abwehrend die Hände hoch. »Fass mich nicht an.«
Auf seinem Gesicht spiegelten sich Kränkung und tief empfundener Schmerz. Müde fuhr er sich mit der Hand durchs Haar. »Ich schätze, das habe ich wohl verdient.«
»Ja, das hast du.«
»Ich gehe besser nicht davon aus, dass du mir vertraust …«, sagte er betrübt.
»Gut so. Denn das tue ich nicht.«
»Clary …« Er wanderte in der Zelle auf und ab. »Was ich getan habe … ich erwarte nicht, dass du das verstehst. Ich weiß, du fühlst dich von mir im Stich gelassen …«
»Genau das hast du ja auch getan«, erwiderte sie. »Du hast mir gesagt, ich solle dich nicht mehr anrufen. Ich habe dir nie etwas bedeutet und meine Mutter auch nicht. Das waren alles nur Lügen.«
»Nein, nicht alles«, widersprach er.
»Dann ist Luke Garroway also dein richtiger Name?«
Schuldbewusst ließ er die Schultern hängen. »Nein«, sagte er und blickte an sich herab. Ein dunkelroter Fleck breitete sich auf seinem blauen Holzfällerhemd aus.
Clary richtete sich kerzengerade auf. »Ist das Blut?«, fragte sie entschlossen. Einen Moment lang vergaß sie ihre Wut.
»Ja«, bestätigte Luke, eine Hand gegen seine Seite gedrückt. »Die Wunde muss wieder aufgegangen sein, als ich dich hochgehoben habe.«
»Welche Wunde?«, hakte Clary nach.
Er seufzte und wählte seine Worte bedachtsam: »Hodges Metallscheiben sind noch immer messerscharf, auch wenn sein Wurfarm nicht mehr das ist, was er früher mal war. Ich denke, er hat mir eine Rippe
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