Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass
der Wand dahinter herabbaumelte.
Fieberhaft schaute Clary sich nach Luke um. Es dauerte einen Moment, bis sie ihn entdeckte: Er lehnte mit halb geschlossenen Augen an einer Säule und sah schrecklich aus - halb tot und mit hängenden Schultern. Hinter ihm stand Amatis und klopfte ihm besorgt auf den Rücken. Erneut blickte Clary sich im Saal um, aber Jocelyn war nirgends zu sehen.
Einen Moment lang zögerte Clary, doch dann dachte sie an Jace, der Valentins Verfolgung aufgenommen hatte, mutterseelenallein und in dem Wissen, dass er dabei möglicherweise ums Leben kam. Denn er wusste, dass er ein Teil dieser Ereignisse war, ein Teil dieser ganzen Geschichte - und das war sie auch. Sie war nie etwas anderes gewesen, selbst zu der Zeit, als sievon alldem hier noch nicht einmal das Geringste geahnt hatte. Das Adrenalin rauschte durch ihre Adern und schärfte ihre Sinne, sodass alles plötzlich viel klarer erschien. Fast schon zu klar. Rasch drückte Clary Simons Hand. »Wünsch mir Glück«, sagte sie; dann trugen ihre Füße sie fast ohne ihr Zutun zu den Podiumsstufen und einen Moment später stand sie auf dem Podium und wandte sich der Menge zu.
Clary war sich nicht sicher, was sie erwartet hatte. Überraschte Ausrufe? Ein Meer schweigender, erwartungsvoller Gesichter? Doch die Menge beachtete sie kaum; nur Luke schaute auf, als hätte er ihre Gegenwart gespürt, und erstarrte mit einem erstaunten Ausdruck in den Augen. Aber dann tat sich doch etwas: Ein großer Mann mit hageren Zügen bahnte sich einen Weg durch die Menge, direkt auf Clary zu. KonsulMalachi. Er gestikulierte und bedeutete ihr, das Podium zu verlassen; dabei schüttelte er heftig den Kopf und rief etwas, das Clary aber nicht verstehen konnte. Während Malachi nach vorne stürmte, drehten sich immer mehr Schattenjäger zu ihr um, bis schließlich alle Anwesenden verstummten und sich ihr zuwandten.
Clary hatte nun das erreicht, was sie wollte - sämtliche Augen waren auf sie gerichtet. Im nächsten Moment hörte sie ein Raunen durch die Menge gehen: Das ist sie. Das ist Valentins Tochter.
»Ihr habt recht«, sagte sie mit lauter, klarer Stimme, »ich bin tatsächlich Valentins Tochter. Noch bis vor wenigen Wochen wusste ich nicht, dass er mein Vater ist - ich wusste noch nicht einmal von seiner Existenz. Mir ist klar, dass viele von euch das jetzt nicht glauben werden, aber das macht nichts. Glaubt, was ihr wollt. Solange ihr auch glaubt, dass ich Dinge über Valentin weiß, von denen ihr nichts ahnt … Dinge, die euch helfen könnten, diese Schlacht gegen ihn zu gewinnen - wenn ihr mir nur einen Moment zuhört.«
»Lachhaft.« Malachi stand am Fuß der Podiumstreppe. »Das ist einfach lachhaft. Du bist doch nur ein kleines Mädchen …«
»Sie ist Jocelyn Fairchilds Tochter«, hielt Patrick Penhallow entgegen. Er hatte sich durch die Menge bis zum Rand des Podiums geschoben und hob eine Hand. »Lass das Mädchen sagen, was sie zu sagen hat, Malachi.«
Die Menge tuschelte aufgeregt.
»Sie«, wandte Clary sich laut an den Konsul. »Sie und der Inquisitor, Sie haben meinen Freund Simon ins Gefängnis geworfen …»
Malachi schnaubte verächtlich. »Deinen Freund, den Vampir?«
»Er hat mir erzählt, dass Sie von ihm wissen wollten, was in jener Nacht auf dem East River mit Valentins Schiff passiert ist. Sie waren davon überzeugt, dass Valentin irgendetwas unternommen haben musste, irgendeine Art schwarzer Magie. Aber das hat er nicht. Wenn Sie wissen wollen, wer oder was sein Schiff zerstört hat, dann steht die Antwort hier direkt vor Ihnen: Ich. Ich war diejenige.«
Malachis ungläubiges Gelächter wurde aus verschiedenen Ecken im Saal erwidert. Luke schaute zu Clary hoch und schüttelte den Kopf, aber Clary ließ sich nicht beirren.
»Ich habe sein Schiff mit einer Rune zerstört«, fuhr sie fort. »Einer Rune, die so mächtig war, dass sie das Schiff in tausend Stücke hat zerbersten lassen. Denn ich bin in der Lage, neue Runen zu erschaffen. Nicht nur diejenigen aus dem Grauen Buch, sondern Runen, die noch niemand zuvor je gesehen hat - mächtige Runen …«
»Das reicht jetzt!«, donnerte Malachi. »So etwas ist doch lächerlich. Niemand kann neue Runen erschaffen. Das ist vollkommen unmöglich.« Mit einem höhnischen Grinsen wandte er sich an die Menge: »Genau wie der Vater - eine geborene Lügnerin!«
»Nein, sie lügt nicht.« Die Stimme kam aus dem hinteren Teil der Menge; sie klang
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