Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass
mit dem entsprechenden Runenmal versehen lasst und gemeinsam mit den Schattenweltlern in die Schlacht zieht. Denn wenn ihr nicht Seite an Seite mit ihnen kämpft, werden die Runenmale nicht wirken.« Clary schwieg einen Moment. »Bitte!«, sagte sie, aber ihre Stimme war durch ihre ausgetrocknete Kehle kaum zu hören. »Bitte, lasst mich euch mit dem Runenmal versehen.«
Ihre Worte fielen in eine sirrende Stille. Die Welt verschwamm in wogenden Farben und Clary erkannte, dass sie während der letzten Minuten ihrer Ansprache zur Hallendecke geschaut hatte und dass es sich bei den weißen Lichtblitzen, die sie gesehen hatte, um die Sterne handelte, die nach und nach am nächtlichen Firmament erschienen waren. Die Stille dauerte an und Clarys Hände, die locker herabgehangen hatten, ballten sich wie in Zeitlupe zu Fäusten. Und dann senkte sie langsam, sehr langsam den Blick und schaute in die Gesichter der Menge, die sie mit großen Augen anstarrte.
17
D IE G ESCHICHTE D ER S CHATTENJÄGERIN
Clary saß auf den Stufen der Abkommenshalle und schaute über den Platz des Erzengels. Der Mond war bereits aufgegangen und kam nun gerade über den Dächern der Stadt zum Vorschein, wobei die Dämonentürme sein silberweißes Licht reflektierten. Die Dunkelheit verbarg die Wunden und Narben der Stadt und unter dem klaren Nachthimmel wirkte Alicante fast friedlich - solange man nicht zum Garnisonshügel hinaufschaute und die Ruinen der Festung sah. Clarys Blick wanderte zurück zu dem Platz vor ihr, auf dem Wachen Patrouille gingen und in regelmäßigen Abständen in die Lichtkegel der Elbenlichtlaternen eintauchten, ehe sie Clarys Gegenwart geflissentlich ignorierten und wieder in den Schatten verschwanden.
Ein paar Stufen unter ihr lief Simon unruhig, aber vollkommen geräuschlos auf und ab. Er hatte die Hände in die Taschen gesteckt, und als er am Ende der Stufen kehrtmachte und wieder auf Clary zukam, brach sich das Mondlicht auf seiner blassen Haut wie auf einer reflektierenden Oberfläche.
»Hör auf damit«, bat Clary ihn, »du machst mich nur noch nervöser.«
»Tut mir leid.«
»Es kommt mir vor, als säßen wir schon eine Ewigkeit hier.« Clary spitzte die Ohren, konnte aber außer dem gedämpften Gemurmel, das durch die geschlossenen Türen der Halle drang, nichts hören. »Kannst du verstehen, was die da drinnen reden?«
Simon kniff die Augen zusammen und schien sich angestrengt zu konzentrieren. »Ein paar Brocken«, sagte er nach einer Weile.
»Ich wünschte, ich wäre jetzt da drin«, murmelte Clary und trat mit den Fersen gereizt gegen die Stufen, auf denen sie saß. Luke hatte sie gebeten, vor der Halle zu warten, während der Rat sich beriet. Er hatte ihr Amatis als Gesellschaft schicken wollen, aber Simon hatte darauf bestanden, dass er stattdessen Clary begleiten würde. Denn er vertrat die Ansicht, dass es sinnvoller wäre, wenn Amatis in der Halle bliebe und Clarys Anliegen unterstützte. »Ich wäre so gern bei der Besprechung dabei«, fuhr Clary fort.
»Nein«, widersprach Simon, »das wärst du nicht.«
Clary wusste, warum Luke sie gebeten hatte, im Freien zu warten. Sie konnte sich vorstellen, was die Anwesenden im Augenblick über sie sagten. Lügnerin. Verrückte. Närrin. Durchgedreht. Dumm. Monströs. Valentins Tochter. Vermutlich war es tatsächlich besser, dass sie vor der Halle wartete, aber die Anspannung in Erwartung der Ratsentscheidung ließ sich kaum aushalten.
»Vielleicht könnte ich ja auf eines dieser Dinger klettern«, sinnierte Simon und musterte die wuchtigen weißen Säulen, die das schräge Dach der Halle trugen. Die Steinquader waren mit einem überlappenden Runenmuster versehen, boten aberansonsten keinen sichtbaren Halt. »Um ein wenig Dampf abzulassen«, erläuterte er.
»Ach, hör auf«, murrte Clary. »Du bist ein Vampir, nicht Spiderman.«
Doch statt einer Antwort lief Simon leichtfüßig die Stufen zum Fuß einer Säule hinauf. Nachdenklich betrachtete er den Säulenschaft, legte dann die Hände auf das Gestein und begann, daran hochzuklettern. Mit offenem Mund beobachtete Clary, wie seine Fingerspitzen und Füße selbst an unmöglichen Stellen in der kannelierten Säule Halt fanden.
»Du bist tatsächlich Spiderman!«, stieß sie sprachlos hervor.
Simon schaute von seinem Aussichtsposten etwa auf der Hälfte der Säule zu Clary hinab. »Das würde dich dann zu Mary Jane machen, die übrigens auch
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