Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass
Kopf in seine Richtung zu drehen.
»Ich werde jetzt den Erzengel herbeirufen«, erklärte er. »Und ich will, dass du dabei zusiehst.«
Ein bitterer Geschmack breitete sich in Clarys Mund aus. Ich weiß, weshalb du so besessen von meiner Mutter bist. Sie war die Einzige, von der du gedacht hast, du würdest sie vollkommen beherrschen, doch dann hat sie sich gegen dich gewandt und dir wehgetan. Du hast geglaubt, sie würde dir gehören, aber das war ein Irrtum. Und deswegen würdest du sie gern hier haben, jetzt in diesem Moment, damit sie Zeuge deines Triumphs wird. Und nur aus diesem Grund begnügst du dich nun mit mir.
Das Schwert drückte sich tiefer in ihre Wange. »Sieh mich an, Clary«, forderte Valentin.
Und Clary sah ihn an; sie wollte es zwar nicht, aber der Schmerz war einfach zu groß. Fast gegen ihren Willen fuhr ihr Kopf herum und das Blut lief in dicken, fetten Tropfen von ihrer Wange und spritzte auf den Sand. Übelkeit erfasste sie, als sie den Kopf hob, um ihren Vater anzusehen.
Valentin betrachtete die Klinge des Engelsschwerts, an derClarys Blut klebte. Als er schließlich wieder zu ihr schaute, funkelte ein seltsames Licht in seinen Augen. »Die Vollendung dieses Rituals erfordert Blut«, sinnierte er. »Eigentlich wollte ich mein eigenes dafür nehmen, aber als ich dich imSee entdeckte, wusste ich sofort, dass Raziel mir auf diese Weise zu verstehen gab, ich solle das Blut meiner Tochter verwenden. Deswegen habe ich dein Blut auch von allem Gift gereinigt, das das Seewasser hinterlassen hat. Du bist nun geläutert - geläutert und bereit. Und deshalb danke ich dir, Clarissa, für die Bereitstellung deines Blutes.«
Er meint es wirklich so, überlegte Clary. Auf irgendeine seltsame Art und Weise meint er diese Dankbarkeit wirklich ernst. Offenbar hatte Valentin schon vor langer Zeit die Fähigkeit verloren, zwischen Zwang und Zusammenarbeit zu unterscheiden, zwischen Furcht und Bereitschaft, zwischen Liebe und Folter. Diese Erkenntnis wurde von einem plötzlichen tauben Gefühl begleitet - welchen Zweck hatte es, Valentin dafür zu hassen, dass er ein Monster war, wenn er es selbst nicht einmal wusste?
»Und nun«, fuhr Valentin fort, »benötige ich noch ein kleines bisschen mehr.«
Ein kleines bisschen mehr wovon?, dachte Clary, doch als Valentin im selben Moment das Schwert nach oben schwang und sich das Licht Tausender Sterne in der Klinge brach, war es ihr sofort klar: Natürlich! Er will nicht nur mein Blut - er will meinen Tod! Das Schwert musste eigentlich schon mit genügend Blut getränkt sein - wahrscheinlich hatte es Geschmack daran gefunden, genau wie Valentin. Clarys Augen folgten dem schwarzen Licht, das Mellartach aussandte: Auf dem Weg zu ihrer Kehle durchschnitt das Schwert die Luft…
Und segelte im hohen Bogen davon, hinein in die Dunkelheit, Valentins Griff entglitten. Mit großen Augen starrte Valentin ungläubig auf seine blutende Schwerthand und schaute dann - im gleichen Moment wie Clary - auf, um zu sehen, wer ihm das Engelsschwert aus der Hand geschlagen hatte.
Jace stand am Rand des Sandufers, kaum einen Schritt von Valentin entfernt, ein funkelndes Schwert in der linken Hand. Am Gesichtsausdruck ihres Vaters konnte Clary ablesen, dass er Jace’ Herannahen genauso wenig bemerkt hatte wie sie selbst.
Bei seinem Anblick blieb Clary fast das Herz stehen: Getrocknetes Blut klebte an seiner Wange und an seiner Kehle schimmerte eine hässliche rote Wunde. Seine Augen leuchteten wie Spiegel und wirkten im Elbenlicht vollkommen schwarz - so schwarz wie Sebastians Augen. »Clary«, sagte er, ohne den Blick auch nur eine Sekunde von Valentin abzuwenden. »Clary, alles in Ordnung mit dir?«
Jace! Verzweifelt versuchte Clary, seinen Namen auszusprechen, doch die Blockade in ihrer Kehle ließ kein einziges Wort über ihre Lippen kommen. Clary hatte das Gefühl, als würde sie ersticken.
»Sie kann dir nicht antworten«, erklärte Valentin. »Sie kann nicht reden.«
Jace’ Augen blitzten wütend auf. »Was hast du ihr angetan?«, herrschte er Valentin an und stieß das Schwert in seine Richtung, worauf dieser einen Schritt zurückwich. Der Ausdruck auf Valentins Gesicht zeugte von Argwohn, aber nicht von Angst. Und in seinen Augen lag etwas Berechnendes, das Clary überhaupt nicht gefiel. Sie wusste, dass sie eigentlich triumphieren sollte, aber das gelang ihr nicht. Im Gegenteil: Jetzt verspürte sie noch mehr Panik als vor
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