Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass
vorbei war, alles vorbei war. Doch dann hörte ich deine Stimme. Ich hörte, wie du meinen Namen gesagt hast, und das hat mich zurückgebracht.«
»Nicht ich - der Engel hat dich zurückgebracht«, flüsterte Clary mit einem Kloß im Hals.
»Weil du ihn darum gebeten hast.« Schweigend zeichnete Jace mit einem Finger die Konturen ihres Gesichts nach, als müsse er sich vergewissern, dass sie kein Traum, sondern Wirklichkeit war. »Du hättest dir alles auf der Welt wünschen können, doch du hast dir mich gewünscht.«
Lächelnd schaute Clary zu ihm auf. Obwohl er vor Dreck starrte und von Kopf bis Fuß mit Blut und Schlamm bedeckt war, hatte sie in ihrem Leben noch nie etwas Schöneres gesehen. »Aber ich will gar nichts anderes auf der Welt.«
In dem Moment flammte das bereits warme Licht in seinen Augen zu solcher Helligkeit auf, dass Clary kaum hinsehen konnte. Sie musste an den Engel denken - daran, dass er wie TausendeFackeln gestrahlt hatte und dass in Jace’ Adern ebenfalls Spuren dieses weiß glühenden Blutes flössen und dass dieses Leuchten aus ihm herausstrahlte, aus seinen Augen, wie Licht durch die Ritzen einer Tür.
Ich liebe dich, wollte Clary sagen und: Ich würde es immer wieder tun. Ich würde mir immer nur dich wünschen. Doch stattdessen stieß sie schließlich etwas ganz anderes hervor.
»Du bist nicht mein Bruder«, sprudelte es aus ihr heraus, weil sie es ihm gar nicht schnell genug mitteilen konnte. »Aber das weißt du, oder?«
Langsam, sehr langsam breitete sich ein Lächeln auf Jace’ blutigem, dreckigem Gesicht aus. »Ja«, grinste er. »Ja, das weiß ich.«
EPILOG
M IT S TERNEN A N D EN H IMMEL G ESCHRIEBEN
Dich habe ich geliebt, deshalb zog ich diese
Männerfluten an mich und schrieb mit Sternen
meinen Willen droben an den Himmel
T. E. LAWRENCE
Der Rauch stieg in einer trägen Spirale auf und zeichnete feine schwarze Linien an den klaren Himmel. Jace saß allein auf dem Hügel oberhalb des Friedhofs, die Ellbogen auf die Knie gestützt, und beobachtete die nach oben steigenden Schwaden. Welch eine Ironie des Schicksals: Das war alles, was von seinem Vater übrig geblieben war.
Von seinem Platz aus konnte er die von Flammen und Qualm umgebene Totenbahre sehen und die kleine Gruppe von Trauergästen, die sich darum versammelt hatte. Jocelyn erkannteer sofort an ihren leuchtend roten Haaren; neben ihr stand Luke, eine Hand auf ihrer Schulter. Jocelyn hatte den Kopf abgewandt, fort von dem brennenden Scheiterhaufen.
Jace hätte zu dieser Gruppe gehören können, wenn er es gewollt hätte. Er war am Morgen aus dem Krankenhaus entlassen worden, wo er die letzten Tage verbracht hatte, und hatte sich sofort auf den Weg zur Einäscherung gemacht. Doch als er sich dem Scheiterhaufen näherte - einem Stapel entrindeter Baumstämme, so weiß wie Knochen -, war ihm schlagartig bewusst geworden, dass er keinen Schritt weitergehen konnte. Er hatte auf dem Absatz kehrtgemacht und war den Hügel hinaufgeklettert, statt dem Trauerzug zu folgen. Luke hatte ihm noch nachgerufen, doch Jace hatte sich nicht mehr umgedreht.
Schweigend hatte er vom Hügel zugesehen, wie sich die Trauergemeinde um die Totenbahre versammelte und wie Patrick Penhallow in seiner pergamentweißen Robe den Holzstapel mit einer Fackel entzündete. Es war das zweite Mal innerhalb einer Woche, dass Jace einer Einäscherung beiwohnte, aber im Gegensatz zu Max’ herzzerreißend kleiner Kinderleiche waren Valentins sterbliche Überreste - selbst flach auf dem Rücken liegend, mit verschränkten Armen vor der Brust und einer Seraphklinge in der Faust - überraschend groß. Wie es die Tradition verlangte, hatte man ihm die Augen mit einem weißen Seidenband für immer geschlossen und auch sonst alle Riten beachtet - trotz allem, was Valentin getan hatte, überlegte Jace.
Sebastian hatte man dagegen nicht bestattet. Eine Gruppe Schattenjäger war zum Tal aufgebrochen, hatte seinen Leichnam aber nicht finden können - vermutlich war er vom Fluss fortgespült worden, hatte man Jace erzählt, doch er war sich dessen nicht so sicher.
Jace hielt in der Menge um die Totenbahre nach Clary Ausschau, konnte sie aber nirgends entdecken. Seit den Ereignissen am See vor zwei Tagen hatte er sie nicht mehr gesehen und er vermisste sie mit jeder Faser seines Körpers. Es war nicht ihre Schuld, dass sie sich danach nicht gesprochen hatten: In jener Nacht am See
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