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Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass

Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass

Titel: Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Clare
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er es nicht mehr konnte.  
    Es sieht genauso aus wie auf den Bildern, dachte sie: Der aus dem See emporsteigende Engel, das Schwert in der einen und den Kelch in der anderen Hand. Wasser strömte von den Engelsinsignien herab, während Raziel vollkommen trocken ausden Fluten stieg; kein Tropfen schimmerte auf seinen Schwingen. Seine weißen, nackten Füße standen auf der Oberfläche des Sees, dessen Wasser zu kleinen Kräuseln aufgeworfen wurde. Sein überirdisch schönes Gesicht neigte sich langsam nach vorne und schaute schließlich auf Valentin herab.  
    Und dann sprach der Engel.
    Seine Stimme klang wie ein Schrei und wie ein Ruf und wie Musik - alles zugleich. Und obwohl das, was er sagte, nicht aus Worten bestand, war er klar und deutlich zu verstehen. Die Kraft seines Atems warf Valentin beinahe um; verbissen grub er die Fersen seiner Stiefel in den Sand, während sein Kopf leicht nach hinten gedrückt wurde, als kämpfte er gegen einen Sturm an. Clary spürte, wie der Wind des Engelsatems über sie hinwegstreifte - heiß wie die Luft aus einem glühenden Ofen und erfüllt vom Aroma exotischer Gewürze.  
    Es sind tausend Jahre vergangen, seit ich das letzte Mal an diesem Ort heraufbeschworen wurde, sprach Raziel. Damals hat Jonathan Shadowhunter mich herbeigerufen und mich gebeten, mein Blut mit dem der Irdischen in einem Kelch zu mischen und ein Volk von Kriegern zu erschaffen, das das Antlitz der Erde von allen Dämonen befreien würde. Ich habe seinem Wunsch entsprochen und ihm gesagt, dass er keine weitere Hilfe erwarten könne. Also, warum hast du mich nun heraufbeschworen, Nephilim?  
    »Eintausend Jahre sind verstrichen, oh glorreicher Himmelsfürst«, erwiderte Valentin mit erwartungsvoller Stimme, »doch das Dämonengeschlecht ist noch immer hier.«  
    Was hat das mit mir zu tun? Eintausend Jahre verstreichen für einen Engel zwischen zwei Wimpernschlägen.  
    »Die Nephilim, die Ihr erschaffen habt, waren ein großartiges Volk. Viele Jahre lang haben sie mutig gekämpft, um diese Welt vom Gift der Dämonen zu befreien. Doch letztendlich haben sie versagt - aufgrund von Schwäche und Korruption in den eigenen Reihen. Ich beabsichtige, die Nephilim wieder zu alter Größe zurückzuführen, zu früherer Pracht und Herrlichkeit, zu Ruhm und Ehre…«  
    Ehre? Der Engel klang fast neugierig, als wäre ihm das Wort fremd. Ehre gebührt Gott allein.  
    Doch Valentin ließ sich nicht beirren. »Der Rat, wie er zu Zeiten der ersten Nephilim geschaffen wurde, existiert nicht länger. Seine Mitglieder haben sich mit Schattenwesen verbündet, von Dämonen befallenen Unmenschen, die diese Welt heimsuchen wie Flöhe den Kadaver einer Ratte. Ich habe die feste Absicht, diese Welt zu reinigen, zu läutern … jedes Schattenwesen zu vernichten, zusammen mit jedem Dämon …«  
    Dämonen besitzen keine Seele. Doch die Wesen, von denen du sprichst, die Kinder des Mondes, die Kinder der Nacht, Liliths Kinder und die Feenkinder - sie alle haben eine Seele. Mir scheint, deine Maßstäbe dafür, was einen Menschen ausmacht und was nicht, sind strenger als unsere eigenen. Clary hätte schwören können, dass in der Stimme des Engels eine leicht belustigte Note mitschwang. Beabsichtigst du, den Himmel herauszufordern - so wie jener andere Morgenstern, dessen Namen du trägst, Schattenjäger?  
    »Nein, ich will den Himmel nicht herausfordern, nein, mein Fürst Raziel. Ich will mich mit dem Himmel verbünden …«  
    In einem von dir angezettelten Krieg? Wir sind der Himmel, Schattenjäger. Wir kämpfen nicht in deinen irdischen Schlachten.  
    Als Valentin seine Erwiderung formulierte, klang er fast gekränkt: »Himmelsfürst Raziel, Ihr hättet doch sicher nicht die Existenz eines Rituals zugelassen, mit dem Ihr heraufbeschworen werdet, wenn Ihr gar nicht die Absicht habt, dass man Euch herbeiruft? Wir Nephilim sind Eure Kinder. Wir brauchen Eure Führung.«  
    Führung? Nun klang der Engel wirklich belustigt. Das ist ja wohl kaum der Grund, warum du mich herbeigerufen hast. Dir geht es vielmehr um dein eigenes Ansehen.  
    »Ansehen?«, wiederholte Valentin heiser. »Für diese Aufgabe habe ich alles hingegeben. Meine Frau. Meine Kinder. Ich habe meine Söhne nicht verschont. Alles, was ich besitze, habe ich für dies hier hingegeben - alles.«  
    Eine Weile schwebte der Engel einfach nur über dem See und blickte aus seinen seltsamen, überirdischen Augen auf Valentin hinab, während seine Schwingen sich

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