Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass
der Rat aber gar nicht erfreut sein.«
»Wieso?«, fragte Simon verblüfft. »Was geht es den Rat an, wie ich in einen Vampir verwandelt wurde?«
»Nun ja, es wäre eine Sache, wenn man dich angefallen hätte«, erläuterte Aldertree entschuldigend. »Aber du bist schließlich einfach dorthinein spaziert und hast dich … äh, den Vampiren überlassen, sozusagen. Es hat ein wenig den Anschein, als hättest du einer von ihnen werden wollen.«
»Aber ich wollte kein Vampir werden! Deswegen bin ich nicht in das Hotel gegangen!«
»Sicher, sicher.« Aldertrees Stimme klang besänftigend. »Lass uns einfach das Thema wechseln, einverstanden?« Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr er einfach fort: »Wie kommt es, dass die Vampire dich haben leben lassen, sodass du zu einem neuen Nachtkind erwachen konntest, mein junger Freund? Wenn man bedenkt, dass du in ihr Territorium eingedrungen bist, sollte man meinen, sie hätten sich wie sonst üblich an dir satt getrunken und dann deinen Leichnam verbrannt, um deine Erweckung zu verhindern.«
Simon öffnete den Mund zu einer Antwort; er wollte dem Inquisitor erzählen, dass Raphael ihn zum Institut gebracht hatte und dass Clary, Jace und Isabelle ihn zum Friedhof transportiert und über ihn gewacht hatten, als er sich den Weg aus dem eigenen Grab herausgeschaufelt hatte. Doch dann zögerte er. Zwar hatte er nur eine vage Vorstellung von den Gesetzen des Rats, aber irgendwie kamen ihm Zweifel, dass es zur Standardvorgehensweise der Schattenjäger zählte, der Erweckung eines Vampirs beizuwohnen oder ihm gar Blut für seine erste Mahlzeit zur Verfügung zu stellen. »Ich weiß es nicht«, sagte er schließlich. »Ich habe keine Ahnung, warum sie mich verwandelt haben, statt mich zu töten.«
»Aber einer von ihnen muss doch zugelassen haben, dass du von seinem Blut getrunken hast, denn sonst wärst du schließlich nicht … nun ja, du wärst nicht der, der du heute bist. Willst du mir etwa sagen, dass du nicht weißt, wer dein Vampir-Ahnherr war?«
Mein Vampir-Ahnherr? Auf diese Weise hatte Simon es noch nie betrachtet - er hatte Raphaels Blut eher zufällig in den Mund bekommen. Außerdem fiel es ihm schwer, sich den Vampirjungen als irgendeinen Ahnherren vorzustellen: Raphael sah doch viel jünger aus als er selbst. »Ich fürchte, da haben Sie recht.«
»Oje.« Der Inquisitor seufzte. »Höchst bedauerlich.«
»Was ist bedauerlich?«
»Nun ja, dass du mich anlügst, mein Junge. «Aldertree schüttelte den Kopf. »Und ich hatte so sehr gehofft, du würdest kooperieren. Das ist schrecklich, einfach schrecklich. Du würdest es nicht vielleicht doch in Erwähnung ziehen, mir die Wahrheit zu sagen? Nur als kleine Gefälligkeit?«
»Aber ich sage doch die Wahrheit!«
Wie eine vertrocknende Blüte ließ der Inquisitor den Kopf hängen. »Ein Jammer.« Er seufzte erneut. »Wirklich ein Jammer.« Dann durchquerte er kopfschüttelnd den Raum und klopfte laut an eine Seitentür.
»Was ist los?« In Simons Stimme schwang eine Mischung aus Sorge und Verwirrung mit. »Was ist mit dem Portal?«
»Das Portal?« Aldertree kicherte. »Du hast doch nicht ernsthaft geglaubt, ich würde dich gehen lassen, oder?«
Ehe Simon antworten konnte, flog die Tür auf und mehrere Schattenjäger in schwarzer Kampfmontur stürmten in den Raum und ergriffen ihn. Simon versuchte, sich zu wehren, doch kräftige Hände legten sich um seine Arme und hielten ihn eisern fest. Dann stülpte ihm jemand eine Kapuze über den Kopf, sodass er nichts mehr sehen konnte. Wütend trat er in der Dunkelheit um sich; sein Fuß traf auf einen Widerstand und er hörte, wie jemand fluchte.
Im nächsten Moment wurde er brutal zurückgerissen und eine heiße Stimme zischte ihm ins Ohr: »Mach das noch mal, Vampir, und ich gieß dir Weihwasser in die Kehle, bis du Blut spuckst und daran krepierst.«
»Genug!« Die dünne, kummervolle Stimme des Inquisitors nahm schlagartig an Volumen und Lautstärke zu. »Ich dulde keine weiteren Drohungen! Ich versuche lediglich, unserem jungen Gast eine Lektion zu erteilen.« Offenbar war er einen Schritt näher herangetreten, denn Simon nahm durch die Kapuze hindurch erneut den seltsamen, bitteren Geruch wahr. »Simon, Simon«, flötete Aldertree nun wieder. »Ich habe unser Gespräch wirklich genossen. Und ich hoffe, dass eine Nacht in den Zellen der Garnison den gewünschten Effekt hat und du morgen früh ein wenig kooperativer sein wirst. Denn ich sehe für uns noch immer
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