Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass
eine strahlende Zukunft voraus … wenn wir erst einmal über dieses kleine Problem hinweggekommen sind.« Seine Hand legte sich schwer auf Simons Schulter. »Bringt ihn nach unten, Nephilim.«
Empört schrie Simon auf, doch seine Proteste wurden von der Kapuze gedämpft. Die Schattenjäger schleiften ihn aus dem Raum und durch eine scheinbar endlose Folge von Gängen, die sich labyrinthartig durch das Gebäude zu erstrecken schienen. Schließlich erreichten sie eine Treppe und Simon spürte, wie er Stufe für Stufe nach unten gezwungen wurde, während seine Füße verzweifelt nach Halt suchten. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wo sie sich befanden; er nahm lediglich einen dumpfen, muffigen Geruch um sich herum wahr, wie von feuchtem Gemäuer, und merkte, dass die Luft mit jedem Schritt kälter und klammer wurde.
Endlich blieben sie stehen. Dann ertönte ein knirschendes Geräusch, wie von Eisen auf Stein, und einen Augenblick später erhielt Simon einen heftigen Stoß, sodass er nach vorne stürzte und auf Händen und Knien auf dem harten Boden landete. Gleichzeitig erklang ein lautes, metallisches Klirren, als fiele hinter ihm eine Tür ins Schloss, gefolgt vom hallenden Klacken schwerer Stiefel, die sich eilig entfernten. Wütend rappelte Simon sich auf, riss sich die Kapuze vom Kopf und warf sie zu Boden. Das Gefühl der heißen, erstickenden Enge ließ schlagartig nach und er unterdrückte den Drang, nach Luft zu schnappen -Luft, die er nicht mehr benötigte. Er wusste, dass es sich nur um einen Reflex handelte, aber seine Brust schmerzte, als hätte man ihm tatsächlich den Atem abgeschnürt.
Langsam sah er sich um: Er befand sich in einem quadratischen, kahlen Raum mit nackten Steinmauern und einem einzelnen vergitterten Fenster in der Wand über einer schmalen, unbequem aussehenden Pritsche. Hinter einem niedrigen Türdurchgang entdeckte er ein winziges Bad mit Waschbecken und Toilette. Auch die nach Westen ausgerichtete Wand der Zelle war vergittert - massive, eisenartige Stäbe erstreckten sich vom Boden bis zur Decke und die Gittertür war mit einem Messingknauf ausgestattet, auf dem eine tiefschwarze Rune prangte. Als Simon genauer hinsah, stellte er fest, dass sämtliche Gitterstäbe mit diesen geheimen Zeichen versehen waren; selbst die Fenstereisen trugen ein spinnwebartiges Runendekor.
Obwohl Simon wusste, dass die Zellentür verschlossen sein musste, konnte er nicht anders, als schnurstracks darauf zuzumarschieren und nach dem Türknauf zu greifen. Doch als er ihn berührte, schoss ein brennender Schmerz durch seine Hand. Er schrie auf und riss den Arm zurück. Dünne weiße Rauchfahnen stiegen von seiner versengten Handfläche auf-ein kompliziertes Muster hatte sich in seine Haut gebrannt. Es erinnerte an einen Davidstern in einem Kreis, mit feinen Runen in jeder freien Fläche zwischen den Linien.
Der sengende Schmerz kroch ihm fieberheiß den Arm hinauf und Simon krümmte die Finger und schnappte keuchend nach Luft. »Was zum Teufel ist das?«, flüsterte er, obwohl er wusste, dass ihn niemand hören konnte.
»Das ist das >Siegel des Salomo<«, sagte plötzlich eine Stimme. »Es soll einen der wahren Namen Gottes enthalten. Außerdem vertreibt es Dämonen - sowie deinesgleichen, da es sich um einen Artikel deines Glaubens handelt.«
Ruckartig richtete Simon sich auf und vergaß fast den Schmerz in seiner Hand. »Wer ist da? Wer spricht da?«
Es entstand eine lange Stille, doch schließlich fuhr die leicht heisere Stimme fort: »Ich bin in der Zelle neben dir, Tageslichtler.« Simon erkannte, dass es sich um einen Mann handeln musste. »Die Wachen haben den halben Tag hier unten verbracht und darüber diskutiert, wie man dich am besten einsperren könne. Also würde ich an deiner Stelle besser nicht versuchen, die Zellentür zu öffnen. Spar dir lieber deine Kräfte, bis du herausgefunden hast, was der Rat von dir will.«
»Die können mich doch nicht einfach hier festhalten«, protestierte Simon. »Ich gehöre nicht in diese Welt. Meine Familie wird mich vermissen, in der Schule wird mein Fehlen auffallen …«
»Darum hat man sich längst gekümmert. Die dafür erforderlichen Zaubersprüche sind denkbar einfach - jeder Hexenmeisterneuling könnte sie anwenden. Deine Eltern werden in der Illusion leben, dass es einen vollkommen plausiblen Grund für deine Abwesenheit gibt. Ein Schulausflug. Ein Besuch bei den Verwandten. Such dir was aus.« In der Stimme schwangen weder Bedrohung
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