Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass
ich mir gut vorstellen!« Trotz Aldertrees heiterem Ton blitzte irgendetwas in seinen Augen auf- ein Ausdruck, den Simon aber nicht genau deuten konnte. Und Sekundenbruchteile später war er auch wieder verschwunden, während Aldertree lächelnd auf einen schmalen Pfad zeigte, der sich um das Garnisonsgebäude herumwand. »Bitte hier entlang, Simon.«
Simon marschierte los und auch Alec setzte sich in Bewegung, um ihm zu folgen. Doch der Inquisitor hielt eine Hand hoch. »Das wäre dann alles, Alexander. Vielen Dank für deine Hilfe.«
»Aber Simon …«, setzte Alec an.
»… ist in besten Händen«, versicherte ihm der Inquisitor. »Malachi, bitte begleite Alexander zum Tor. Und gib ihm ein Elbenlicht, falls er selbst keines mitgebracht hat, damit er sicher nach Hause kommt. Der Weg kann bei Dunkelheit ziemlich tückisch sein.«
Und damit wandte er sich mit einem weiteren glückstrahlenden Lächeln Simon zu und führte ihn freundlich plaudernd davon, während Alec den beiden ratlos nachstarrte.
Als Amatis mit ihrem Elbenlicht vorauseilte und Luke Clary über die Türschwelle und durch einen langen Flur trug, war ihr, als würde die Welt durch die Nebelschwaden, die um sie herum herrschten, plötzlich aufleuchten. Im Fieberwahn sah Clary, wie sich der Gang vor ihnen scheinbar immer weiter ausdehnte und in die Länge zog, wie in einem schlimmen Albtraum.
Dann drehte sich das Bild - und plötzlich lag sie auf einer kühlen Oberfläche. Liebevoll strichen Hände eine Decke über ihr glatt und blaue Augen betrachteten sie besorgt. »Sie scheint wirklich sehr krank zu sein, Lucian«, sagte Amatis mit einer Stimme, die in Clarys Ohren verzerrt klang wie eine alte Plattenaufnahme. »Was ist mit ihr passiert?«
»Sie hat die Hälfte des Lyn-Sees geschluckt.« Der Klang von Lukes Stimme verhallte und einen Moment lang konnte Clary wieder klar sehen: Sie lag auf den kalten Fliesen eines Küchenbodens und irgendwo über ihr wühlte Luke in einem Schrank. An einer der Wände, von der die gelbe Farbe abblätterte, stand ein altmodischer schwarzer Gusseisenherd; Flammen schlugen aus dem Ofenrost und brannten ihr in den Augen. »Anis, Belladonna, Nieswurz …« Mit einem Arm voll dunkler Glasgefäße drehte Luke sich zu Amatis um. »Kannst du einen Sud aus diesen Krautern herstellen, Amatis? Ich werde Clary näher an den Herd rücken - sie hat Schüttelfrost.«
Clary versuchte, etwas zu sagen … dass es nicht nötig wäre, sie noch mehr aufzuwärmen … dass sie innerlich bereits glühe … doch die Töne, die aus ihrem Mund kamen, hatten nichts mit dem zu tun, was sie eigentlich sagen wollte. Sie hörte sich selbst wimmern, als Luke sie hochhob, und dann spürte sie eine feurige Hitze, die ihre linke Körperhälfte aufzutauen schien. Clary hatte nicht einmal bemerkt, dass ihr Körper förmlich zu Eis gefroren war. Ihre Zähne begannen zu klappern und sie schmeckte Blut im Mund. Dann setzte ein Vibrieren ein und ließ die Welt erbeben wie Wasser in einem gerüttelten Glas.
»Sie hat aus dem See der Träume getrunken?«, fragte Amatis ungläubig. Clary konnte die Frau nicht deutlich erkennen, aber sie schien in der Nähe des Herds zu stehen, mit einem langstieligen Holzlöffel in der Hand. »Was hat sie denn dort gemacht? Weiß Jocelyn, wo sie …«
Im nächsten Moment schien die Welt um Clary herum in Dunkelheit zu versinken - oder zumindest die reale Welt der Küche mit den gelben Wänden und dem beruhigenden Feuer hinter dem Ofengitter. Stattdessen sah Clary die Fluten des Lyn-Sees, in denen sich Flammen spiegelten wie in einer polierten Glasfläche. Engel schritten über das Glas - Engel mit weißen Flügeln, die blutverschmiert und gebrochen von ihren Rücken herabhingen, und jeder der Engel besaß Jace’ Gesicht. Und dann tauchten weitere Engel auf, mit Flügeln wie schwarzen Schatten, und sie hielten ihre Hände in die Flammen und lachten …
»Sie ruft ständig nach ihrem Bruder.« Amatis’ Stimme klang hohl, als dränge sie aus unglaublicher Höhe zu Clary durch. »Er ist doch bei den Lightwoods, oder? Und die wohnen zurzeit bei den Penhallows in der Princewater Street. Ich könnte schnell …«
»Nein«, unterbrach Luke sie scharf. »Nein. Es ist besser, wenn Jace nichts davon erfährt.«
Habe ich wirklich nach Jace gerufen? Warum sollte ich das tun?, fragte Clary sich, doch der Gedanke dauerte nur einen Sekundenbruchteil an. Sofort kehrte die Dunkelheit zurück und die Halluzinationen ergriffen
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