Chroniken der Unterwelt Bd. 4 City of fallen Angels
sich fragte, ob nicht die ganze Stadt es sehen konnte wie der Lichtstrahl eines Suchscheinwerfers, der sich in den Nachthimmel bohrte. »Komm ja nicht näher«, knurrte er.
Zu Clarys Überraschung hielt Lilith einen Moment inne. »Michael erschlug den Todesengel Samael, den ich geliebt habe«, sagte sie. »Wie kommt es nur, kleiner Schattenjäger, dass deine Engel so kalt und unbarmherzig sind? Warum müssen sie alles brechen, das sich ihnen nicht unterwerfen will?«
»Ich wusste gar nicht, dass du so eine glühende Verfechterin der Willensfreiheit bist«, bemerkte Jace spöttisch — und der Sarkasmus in seiner Stimme gab Clary mehr als alles andere die Gewissheit, dass er wieder ganz er selbst war. »Wie wäre es denn dann, wenn du uns alle von diesem Dach herunterlassen würdest? Mich, Simon, Clary? Was sagst du dazu, Dämonin? Der Spuk ist vorbei. Du beherrschst mich nicht länger. Ich werde Clary nichts tun und Simon wird dir nicht gehorchen. Und dieses Drecksstück, das du da wiederzubeleben versuchst … ich schlage vor, du entsorgst ihn, bevor er zu gammeln beginnt. Denn er wird nicht zu dir zurückkehren und sein Verfallsdatum ist schon längst überschritten.«
Liliths Gesicht verzerrte sich und sie spuckte in Jace’ Richtung — eine schwarze Flamme, die auf dem Boden auftraf und sich in eine Schlange verwandelte, die mit weit aufgesperrtem Maul auf ihn zuglitt.
Jace zertrat das Reptil mit dem Absatz seines Schuhs und attackierte die Dämonin mit ausgestreckter Klinge, aber Lilith war bereits verschwunden — so schnell wie ein Schatten im Licht — und nahm unmittelbar hinter ihm wieder Gestalt an. Als Jace herumwirbelte, streckte sie fast träge einen Arm aus und rammte ihm ihre Handfläche gegen die Brust.
Durch die Wucht des Stoßes flog Jace die Seraphklinge aus der Hand und rutschte über die Steinplatten, während er selbst in hohem Bogen durch die Luft segelte und mit solcher Heftigkeit gegen eine niedrige Mauer krachte, dass feine Risse im Mauerwerk entstanden. Dann schlug er hart auf dem Boden auf, sichtlich benommen.
Keuchend sprintete Clary in Richtung des Engelsschwerts, erreichte es jedoch nicht rechtzeitig — Lilith ergriff sie mit zwei dünnen, eiskalten Händen und schleuderte sie mit ungeheurer Kraft von sich fort. Clary landete in einer niedrigen Hecke, deren stachlige Zweige ihre Haut erbarmungslos aufrissen und tiefe Wunden hinterließen. Verzweifelt versuchte sie, sich zu befreien, doch ihr Kleid hatte sich im Blattwerk verfangen. Clary hörte, wie die Seide riss, als sie sich ruckartig losmachte, und sah dann, dass Lilith Jace auf die Beine zerrte, eine Hand in sein blutiges Hemd gekrallt.
Sie grinste ihn mit ihren schwarzen Zähnen an, die wie Metall schimmerten. »Es freut mich, dass du wieder stehen kannst, kleiner Nephilim. Denn ich will dein Gesicht sehen, wenn ich dich töte — ich habe keine Lust, dich hinterrücks zu ermorden, so wie du es mit meinem Sohn gemacht hast.«
Jace wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht; er blutete aus einer langen Schnittwunde auf seiner Wange und der Stoff seines Hemds färbte sich rot. »Er ist nicht dein Sohn. Du hast ihm bloß etwas Blut gespendet. Das macht ihn aber nicht zu deinem Sohn. Mutter aller Hexenwesen … dass ich nicht lache …« Er wandte den Kopf ab und spuckte auf den Boden, hellrotes Blut. »Du bist niemandes Mutter!«
Liliths Schlangenaugen zuckten vor Wut hin und her. Während Clary sich schmerzhaft aus der Hecke befreite, sah sie, dass jeder dieser Schlangenköpfe zwei Augen besaß, die rot funkelten. Clary drehte sich der Magen um, als die Reptilien sich in alle Richtungen wanden und mit ihren Blicken Jace’ gesamten Körper abzutasten schienen. »Einfach so meine Rune zu zerschneiden. Wie ungehobelt«, zischte Lilith.
»Aber sehr effektiv«, erwiderte Jace.
»Du kannst nicht gegen mich gewinnen, Jace Herondale«, knurrte sie. »Du magst der größte Schattenjäger sein, den die Welt je gesehen hat, aber ich bin viel mehr als nur eine Dämonenfürstin.«
»Dann kämpf gegen mich«, forderte Jace. »Ich werde dir eine Waffe geben und ich selbst nehme meine Seraphklinge. Kämpfe gegen mich, in einem ehrlichen Kampf, und dann werden wir ja sehen, wer von uns gewinnt.«
Lilith musterte ihn und schüttelte langsam den Kopf, wobei ihre schwarzen Haare sich wie Rauchschwaden um ihr Gesicht bauschten. »Ich bin die Älteste aller Dämonen«, entgegnete sie. »Ich bin kein Mann. Ich besitze keinen männlichen
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