Chroniken der Unterwelt Bd. 4 City of fallen Angels
ist sie Lilith, Mutter aller Hexenwesen. Sie wandelt schon sehr lange hier auf Erden, Alexander.«
Alec richtete sich auf. »Dann sollte ich mal besser herausfinden, was sie vorhat.«
Camilles Ketten rasselten, als sie sich hinzuknien versuchte. »Warte — du hast doch gesagt, du würdest mich freilassen.«
Alec drehte sich um und schaute auf sie herab. »Nein, das hab ich nicht. Ich hab gesagt, ich würde dich dem Rat übergeben.«
»Aber wenn du mich hier zurücklässt … was hindert Lilith daran, mich zuerst zu finden?« Camille warf ihr verfilztes Haar zurück und die Anspannung zeichnete tiefe Falten in ihr Gesicht. »Alexander, bitte. Ich flehe dich an …«
»Wer ist Will?«, platzte Alec zu seinem eigenen Entsetzen heraus.
»Will?« Einen Moment lang starrte Camille ihn verständnislos an; doch dann dämmerte es ihr und ein fast belustigtes Lächeln umspielte ihre Lippen. »Du hast mein Gespräch mit Magnus belauscht.«
»In Teilen.« Langsam ließ Alec die angehaltene Luft entweichen. »Will ist tot, stimmt’s? Ich meine, Magnus hat gesagt, dass er ihn vor sehr langer Zeit gekannt hat …«
»Ich weiß, was dich quält, kleiner Schattenjäger.« Camilles Stimme hatte einen melodischen und sanften Ton angenommen.
Durch die Fenster hinter ihr konnte Alec in der Ferne die blinkenden Lichter eines Flugzeugs erkennen, das über die Stadt flog.
»Anfangs warst du glücklich«, säuselte die Vampirin. »Du hast nur im Augenblick gelebt, nicht an die Zukunft gedacht. Doch nun ist es dir klar geworden: Du wirst älter werden und eines Tages sterben. Aber Magnus nicht. Er wird einfach weiterleben. Ihr beide werdet nicht zusammen alt werden. Stattdessen werdet ihr euch auseinanderleben.«
Alec dachte an die Menschen in dem Flugzeug, hoch oben in der eisigen Luft, an die Passagiere, die in diesem Moment vermutlich auf die Stadt hinabblickten, welche wie ein Meer glitzernder Diamanten unter ihnen lag. Natürlich war er selbst noch nie geflogen und konnte nur raten, wie sie sich fühlten: einsam, weit entfernt, abgeschnitten von der Welt. »Woher willst du das wissen?«, entgegnete er. »Dass wir uns auseinanderleben werden …«
Camille schenkte ihm ein mitleidiges Lächeln. »Du magst zwar im Moment attraktiv sein«, sagte sie. »Aber was ist in zwanzig Jahren? Oder in vierzig, fünfzig? Wird er deine blauen Augen auch dann noch lieben, wenn sie verblassen, wird er deine weiche Haut auch dann noch berühren wollen, wenn das Alter tiefe Spuren darin hinterlassen hat, wenn deine Hände faltig und zittrig sind und deine Haare ergraut …«
»Halt den Mund!« Alec hörte seine eigene Stimme überschnappen und schämte sich. »Halt einfach den Mund! Ich will das nicht hören.«
»Aber so muss es nicht notwendigerweise enden.« Camille beugte sich vor und ihre grünen Augen funkelten. »Was wäre, wenn ich dir sage, dass du nicht altern musst? Dass du nicht zu sterben brauchst?«
Alec spürte eine Woge der Wut in sich hochsteigen. »Spar dir die Mühe: Ich hab keinerlei Interesse, ein Vampir zu werden. Lieber sterbe ich.«
Für den Bruchteil einer Sekunde verzerrten sich Camilles Züge, doch der Ausdruck verschwand von ihrem Gesicht genauso schnell, wie er gekommen war, da sie sich sofort wieder im Griff hatte. Sie brachte ein mattes Lächeln zustande und erwiderte: »Das wollte ich dir gar nicht vorschlagen. Was wäre, wenn ich dir sage, dass es noch eine andere Möglichkeit gibt? Eine andere Möglichkeit, wie ihr beide für immer zusammenbleiben könnt?«
Alec musste schlucken. Sein Mund war staubtrocken. »Okay, erzähl mir davon«, sagte er.
Doch Camille hob die Hände und ihre Ketten rasselten erneut. »Mach mich los!«
»Nein. Zuerst musst du mir mehr erzählen.«
Die Vampirin schüttelte den Kopf. »Kommt nicht infrage.« Der Ausdruck auf ihrem Gesicht war hart wie Marmor, genau wie ihre Stimme. »Du hast eben gesagt, ich hätte nichts, womit ich verhandeln könnte. Aber ich habe durchaus etwas in der Hand. Und das werde ich nicht einfach so verschenken.«
Alec zögerte. ln seinem Kopf hörte er Magnus’ leise Stimme: Sie ist eine wahre Meisterin der Andeutungen und der Manipulation. Das war sie schon immer.
Aber du hast es mir nie verraten, Magnus, dachte er. Du hast mich nicht gewarnt, dass ich eines Tages aufwachen und erkennen würde, dass ich einen Weg gehe, auf dem du mir nicht folgen kannst. Dass wir grundlegend verschieden sind. Für diejenigen, die nicht sterben, gibt es kein »Bis
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