Chroniken der Unterwelt Bd. 4 City of fallen Angels
Ohren, in ihren Adern; er hatte nicht aufgehört, sie zu begehren, ganz gleich, welche Macht Lilith über seinen Geist ausüben mochte.
»Ich flüstere es dir ins Ohr«, murmelte sie und streifte mit den Lippen über seinen Hals. Langsam atmete sie seinen Geruch ein, der ihr so vertraut war wie ihr eigener Duft. »Also …«
Sie hob ihm das Gesicht entgegen und er beugte sich hinab, um ihr zuzuhören — und ihre Hand bewegte sich von seiner Taille zum Griff des Messers, das in seinem Gürtel steckte. Im nächsten Moment zückte sie es blitzschnell, so wie er es ihr beim Training gezeigt hatte, balancierte das Gewicht in ihrer Handfläche und ließ die Klinge in einem weiten, flachen Bogen über seine linke Brusthälfte sausen.
Jace schrie auf, eher vor Überraschung als vor Schmerz, und Blut quoll aus der Schnittwunde, tropfte über seine Haut und verdeckte die Rune. Sprachlos griff er sich mit der Hand an die Brust, und als er das Blut bemerkte, starrte er Clary an, mit großen, fassungslosen Augen, als wäre er zutiefst getroffen, als könnte er ihren Verrat wirklich nicht glauben.
Clary riss sich von ihm los, als Lilith aufschrie. Simon stand nicht länger über Sebastian gebeugt; er hatte sich aufgerichtet und starrte hinab zu Clary, den Handrücken vor den Mund gepresst. Schwarzes Dämonenblut tropfte von seinem Kinn auf sein weißes Hemd. Seine Augen waren weit aufgerissen.
»Jace?«, rief Lilith mit einem verblüfften Ton in der Stimme. »Jace, halt sie fest, ich befehle es dir …«
Doch Jace reagierte nicht. Er starrte von Clary zu Lilith, dann auf seine blutige Hand und wieder zurück.
Inzwischen hatte Simon sich unbemerkt ein paar Schritte von Lilith entfernt; aber auf einmal hielt er ruckartig inne, krümmte sich und fiel auf die Knie.
Lilith wirbelte herum, fort von Jace, und stürmte mit wutverzerrtem Gesicht auf Simon zu. »Steh auf!«, kreischte sie. »Na los, mach schon! Du hast sein Blut getrunken, jetzt braucht er deines!«
Mühsam setzte Simon sich auf, rutschte dann schlaff zur Seite und würgte und hustete, bis schwarzes Blut kam. Clary erinnerte sich, wie er in Idris Sebastians Blut mit Gift verglichen hatte. Wütend hob Lilith den Fuß, um nach Simon zu treten, und taumelte dann rückwärts, als hätte eine unsichtbare Hand sie fortgestoßen. Im nächsten Moment stieß die Dämonin einen Schrei aus — keine Worte, nur ein Kreischen wie der Schrei einer Eule … ein Laut, aus dem ungefilterter Hass und Zorn sprachen.
Ein Laut, den kein menschliches Wesen hätte zustande bringen können und der sich wie scharfkantige Glasscherben in Clarys Ohren bohrte. »Lass Simon in Ruhe! Ihm ist übel. Siehst du denn nicht, dass es ihm nicht gut geht?«, schrie sie aufgebracht — und bereute ihre Worte sofort.
Langsam drehte Lilith sich um; ihr Blick schweifte kalt und herrisch über Jace. »Ich habe dir doch gesagt, du sollst das Mädchen nicht aus dem Kreis herauslassen, Jace Herondale!«, peitschte ihre Stimme über die Dachterrasse. »Nimm ihr die Waffe weg!«
Clary war sich gar nicht bewusst gewesen, dass sie das Messer noch immer in der Hand hielt. Ihr war so kalt, dass sie kaum etwas fühlte und wie betäubt war. Doch dann kochte eine heiße Wut in ihr hoch, auf Lilith, auf einfach alles, und löste ihre Erstarrung. Mit einer ausholenden Bewegung schleuderte sie das Messer auf den Boden, das daraufhin über die Steinplatten rutschte und gegen Jace’ Füße prallte. Wie ein Blinder starrte er darauf, als hätte er noch nie zuvor eine Waffe gesehen.
Liliths Lippen waren zu einer dünnen roten Linie zusammengepresst. Das Weiß in ihren Augen schien verschwunden und sie funkelten vollständig schwarz. Sie hatte nichts Menschliches mehr an sich. »Jace«, zischte sie. »Jace Herondale, du hast meinen Befehl gehört. Und du wirst mir gehorchen.«
»Nimm es«, sagte Clary und schaute Jace an. »Nimm es und töte entweder sie oder mich. Du hast die Wahl.«
Langsam bückte Jace sich und hob das Messer vom Boden auf.
Alec hielt Sandalphon in einer Hand und in der anderen ein Hachiwari — gut geeignet zum Abwehren mehrerer Angreifer. Zu seinen Füßen lagen mindestens sechs Sektenmitglieder, entweder tot oder bewusstlos.
Im Verlauf seines bisherigen Lebens hatte er schon eine ganze Reihe von Dämonen niedergestreckt, aber der Kampf gegen die Mitglieder der Church of Talto hatte etwas Schauriges an sich. Sie bewegten sich alle gleichzeitig, nicht wie Menschen, sondern eher wie eine
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