Chroniken der Unterwelt Bd. 4 City of fallen Angels
einen Moment — und verfasste dann eine SMS: 232 RIVERSIDE DRIVE. BRAUCHE DICH DORT SOFORT. IST SEHR WICHTIG. Sie drückte auf Senden und wartete einen Moment, bis das Display wieder aufleuchtete und die Antwort erschien: OKAY.
Seufzend legte Clary das Handy auf den Tisch und machte sich daran, ihre Waffen zusammenzusuchen.
»Ich habe Maia geliebt«, sagte Jordan. Er saß inzwischen auf dem Futonsofa, nachdem es ihm gelungen war, doch noch Kaffee zu kochen. Allerdings trank er kaum davon, sondern hielt nur den heißen Becher in den Händen und drehte ihn beim Sprechen hin und her. »Das solltest du wissen, ehe ich weitererzähle. Maia und ich stammen beide aus diesem trostlosen Nest in New Jersey, wo sie ziemlich viel Mist ertragen musste, weil ihr Vater ein Schwarzer und ihre Mom eine Weiße war. Außerdem hatte sie noch einen Bruder, einen totalen Psychopathen. Ich weiß nicht, ob sie dir von ihm erzählt hat. Daniel.«
»Nicht viel«, sagte Simon.
»Alles in allem war ihr Leben eine regelrechte Hölle, aber sie ließ sich davon nicht unterkriegen. Kennengelernt hab ich sie in einem Musikgeschäft, wo noch richtige alte Platten aus Vinyl verkauft wurden. Irgendwie sind wir ins Gespräch gekommen und mir wurde klar, dass sie das coolste Mädchen weit und breit war. Und wunderschön. Und süß.« Jordan starrte gedankenverloren vor sich hin. »Wir haben uns dann regelmäßig verabredet und es war fantastisch. Wir waren über beide Ohren verknallt. So wie man es nur mit sechzehn ist. Und dann bin ich gebissen worden: Eines Abends wurde ich in einem Club in eine Schlägerei verwickelt. Damals war das für mich nichts Besonderes und ich war daran gewöhnt, Schläge und Tritte einzukassieren. Aber gebissen zu werden …? Ich dachte, der Typ musste total durchgeknallt sein, hab mich aber nicht weiter darum gekümmert, die Wunde lediglich im Krankenhaus vernähen lassen und das Ganze anschließend vergessen.
Etwa drei Wochen später traten die ersten Anzeichen auf. Anfälle von unbeherrschter Wut und Raserei. Mir wurde schwarz vor Augen und ich wusste nicht mehr, was mit mir passierte. Einmal hab ich sogar das Küchenfenster mit bloßer Hand zertrümmert, nur weil eine Schublade klemmte. Außerdem war ich rasend eifersüchtig und davon überzeugt, dass Maia anderen Jungs schöne Augen machte und … ach, ich weiß auch nicht, was ich gedacht habe. Ich weiß lediglich, dass ich total ausgerastet bin — und sie geschlagen habe. Liebend gern würde ich jetzt behaupten, dass ich mich nicht daran erinnern könnte, aber das würde nicht stimmen. Und dann hat sie mit mir Schluss gemacht …« Seine Stimme verstummte und er nahm einen Schluck Kaffee.
Irgendwie sah er sehr elend aus, fand Simon. Offenbar hatte er diese Geschichte noch nicht oft erzählt. Wenn überhaupt.
»Ein paar Tage später bin ich zu einer Party gegangen. Maia war auch dort. Tanzte mit einem anderen Kerl. Küsste ihn, als wollte sie mir beweisen, dass es zwischen uns endgültig vorbei war. Leider hatte sie sich dafür einen denkbar schlechten Zeitpunkt ausgesucht — obwohl sie das natürlich nicht wissen konnte. Es war der erste Vollmond seit jener Schlägerei, bei der ich gebissen wurde.« Seine Fingerknöchel traten weiß hervor, während er den Becher umklammert hielt. »Das erste Mal, dass ich mich verwandelt habe. Die Transformation ging wie ein Riss durch meinen Körper und schien meine Knochen und meine Haut zu zerfetzen. lch litt furchtbare Qualen, aber nicht nur wegen dieser Verwandlung. Ich sehnte mich nach Maia, wollte, dass sie zu mir zurückkommt, wollte ihr alles erklären, brachte aber nichts hervor außer einem Wolfsgeheul. Also bin ich abgehauen, einfach ziellos durch die Gegend gelaufen … und dann, im Park in der Nähe ihres Elternhauses, hab ich sie plötzlich wieder gesehen. Sie war auf dem Heimweg …«
»Also hast du sie angefallen. Sie gebissen«, sagte Simon.
»Ja.« Jordan starrte blind vor sich hin. »Als ich am nächsten Morgen aufwachte, wusste ich sofort, was ich getan hatte. lch hab noch versucht, zu ihr zu gehen, ihr alles zu erklären. Aber etwa auf der Hälfte der Strecke zu ihrem Haus stellte sich mir ein Riesenkerl in den Weg und starrte mich nieder. Er wusste, wer ich war, wusste einfach alles über mich. Und er sagte, er gehöre den Praetor Lupus an und sei mir zugeteilt worden. Außerdem schien er nicht besonders erfreut darüber, dass er zu spät gekommen war … dass ich bereits jemand anderes gebissen
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