Chroniken der Unterwelt Bd. 4 City of fallen Angels
ihrer Meinung bestätigt gesehen und ihn zu Recht für das Monster gehalten, als das sie ihn bezichtigt hatte.
Und vielleicht war er ja genau das — ein Monster.
Simon blickte auf, als die Tür von Jordans Zimmer quietschte und Jordan auftauchte. Er war barfuß und trug noch immer die Jeans und das zerfetzte T-Shirt, das er am Abend zuvor getragen hatte. Die Narben an seinem Hals waren zu roten Striemen verblasst.
Er sah Simon an. Seine grünbraunen Augen, die normalerweise klar und heiter schauten, wirkten überschattet. »Ich hätte gedacht, du würdest abhauen«, sagte er.
»Das hatte ich auch vor«, erwiderte Simon. »Aber dann bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich dir wenigstens die Chance geben sollte, die ganze Geschichte zu erklären.«
»Da gibt es nichts zu erklären.« Jordan schlurfte in die Küche und wühlte in einer Schublade, bis er schließlich einen Kaffeefilter fand. »Was auch immer Maia über mich gesagt hat — ich bin mir sicher, es stimmt.«
»Sie meinte, du hättest sie geschlagen«, bemerkte Simon.
Jordan hörte schlagartig auf, in der Küche herumzukramen, und schaute auf den Filter in seiner Hand, als wüsste er nicht mehr, was er eigentlich damit wollte.
»Sie hat erzählt, ihr seid ein paar Monate miteinander gegangen und alles war total klasse«, fuhr Simon fort. »Dann bist du von einem Moment auf den anderen eifersüchtig und gewalttätig geworden. Und als sie dich darauf angesprochen hat, hast du sie geschlagen. Daraufhin hat sie mit dir Schluss gemacht, und als sie eines Nachts allein nach Hause gegangen ist, wurde sie von irgendetwas hinterrücks angefallen und beinahe umgebracht. Und du … du bist einfach aus der Stadt verschwunden, sang- und klanglos, ohne jede Erklärung oder Entschuldigung.«
Jordan legte den Kaffeefilter auf die Küchentheke. »Wie ist sie hierhergekommen? Wie hat sie Luke Garroways Rudel gefunden?«
Simon schüttelte den Kopf. »Sie hat einfach einen Zug nach New York genommen und ist hier auf das Rudel gestoßen. Maia ist eine Kämpferin, eine Überlebenskünstlerin. Sie hat nicht zugelassen, dass das, was du ihr angetan hast, sie zerstört. Und das kann man nicht von vielen Leuten behaupten.«
»Bist du deshalb geblieben?«, fragte Jordan. »Um mir zu sagen, was für ein Dreckskerl ich bin? Das hättest du dir sparen können, das weiß ich nämlich längst.«
»Ich bin geblieben, weil …«, setzte Simon an, »… wegen gestern Abend … das, was ich getan habe. Wenn ich diese Geschichte von dir und Maia gestern Nachmittag schon erfahren hätte, wäre ich heute nicht mehr hier. Aber nach dem, was ich Maureen angetan habe …« Er biss sich auf die Lippe. »Ich dachte, ich hätte alles im Griff, meine Verwandlung und all das. Aber das stimmt nicht und ich habe jemanden verletzt, der das nicht verdient hat. Das ist der Grund, warum ich immer noch hier bin.«
»Denn wenn ich kein Monster bin, bist du auch keines.«
»Nein — weil ich wissen möchte, wie es für mich jetzt weitergehen soll, und weil du es mir vielleicht erklären kannst.« Simon beugte sich vor. »Weil du seit unserer ersten Begegnung immer ein anständiger Kerl gewesen bist. Ich hab dich nicht ein einziges Mal mies oder wütend erlebt. Und dann hab ich an diese Wolfsgarde gedacht und an deine Worte — dass du dich ihnen angeschlossen hast, weil du ein paar üble Dinge getan hast. Und ich hab mir überlegt, dass dein Verhalten gegenüber Maia vielleicht das ist, was du mit ›üble Dinge‹ gemeint hast und was du nun wiedergutzumachen versuchst.«
»Das trifft es ziemlich genau«, bestätigte Jordan.
Clary saß an ihrem Schreibtisch in Lukes Gästezimmer und hatte das Stoffstück, das sie aus der Leichenhalle des Beth-lsrael-Hospitals mitgenommen hatte, vor sich ausgebreitet. Sie hatte den Fetzen auf beiden Seiten mit Stiften beschwert und beugte sich mit der Stele in der Hand darüber. Angestrengt versuchte sie, sich wieder an die Rune zu erinnern, die ihr im Krankenhaus erschienen war.
Doch es fiel ihr schwer, sich zu konzentrieren. Sie musste ständig an Jace denken, an den vergangenen Abend. Und daran, wohin er gegangen sein könnte. Und warum er so unglücklich war. Erst als sie ihn von Angesicht zu Angesicht gesehen hatte, war ihr bewusst geworden, dass er mindestens so sehr unter der Situation litt wie sie selbst, und der Gedanke brach ihr fast das Herz. Am liebsten hätte sie ihn sofort angerufen, aber seit ihrer Heimkehr hatte sie sich bereits mehrere Male
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