Chroniken der Unterwelt Bd. 4 City of fallen Angels
Fingern eine Nummer zu wählen.
»Was ist los?«, fragte Jordan. »Wen rufst du an?«
Clarys Handy klingelte, als sie gerade von der Ninety-Sixth Street in den Riverside Drive einbog. Der Regen schien den üblichen Dreck der Stadt fortgespült zu haben; die Sonne strahlte von einem klaren Himmel auf den grün schimmernden Park am Fluss, dessen Fluten heute beinahe blau wirkten.
Sie wühlte in ihrer Tasche nach ihrem Mobiltelefon, fand es und klappte es auf. »Hallo?«
Simons Stimme dröhnte am anderen Ende der Leitung. »Oh, G…«, er verstummte kurz und setzte erneut an: »… dem Hirnmel sei Dank! Ist bei dir alles in Ordnung? Du bist nicht entführt worden oder so?«
»Entführt?« Clary warf einen Blick auf die Hausnummern an den Gebäuden, an denen sie entlangging. 220, 224. Sie war sich nicht ganz sicher, wonach sie eigentlich suchte. Würde das Bauwerk überhaupt wie eine Kirche aussehen? Oder vielleicht wie etwas völlig anderes? Möglicherweise wie ein verwahrlostes Grundstück, dank der Hilfe von Zauberglanz? »Hast du etwa getrunken?«, fragte sie ins Telefon.
»Dafür ist es ein wenig zu früh.« Die Erleichterung in Simons Stimme war deutlich zu hören. »Nein, ich … ich hab nur gerade eine merkwürdige Mitteilung erhalten. Jemand hat gedroht, meiner Freundin was anzutun.«
»Welcher von beiden?«
»Haha.« Doch Simon klang alles andere als amüsiert. »Ich hab Maia und Isabelle schon angerufen, aber beiden geht’s gut. Und dann musste ich an dich denken — ich meine, wir verbringen viel Zeit zusammen. Ein Außenstehender könnte da auf falsche Gedanken kommen. Aber jetzt weiß ich auch nicht mehr weiter.«
»Ich hab auch keine Ahnung.« Plötzlich tauchte 232 Riverside Drive vor Clary auf: ein hohes, wuchtiges Steingebäude mit einem Spitzdach. Möglicherweise hatte es einst als Kirche gedient, überlegte sie, aber inzwischen sah es nun wirklich nicht mehr danach aus.
»Übrigens haben Maia und Isabelle gestern Abend voneinander erfahren. Das Ganze war nicht schön«, fügte Simon hinzu. »Du hattest recht, als du meintest, ich würde mit dem Feuer spielen.«
Clary betrachtete die Fassade des Gebäudes. Bei den meisten Bauwerken am Riverside Drive handelte es sich um teure Apartmenthäuser mit livrierten Portiers. Doch dieses hier besaß nur eine hohe doppelflügelige Holztür mit einem geschwungenen Rahmen und altmodischen Metallgriffen statt Türknäufen. »Oh, oh. Tut mir leid, Simon. Reden sie denn noch mit dir?«
»Nein, jedenfalls nicht richtig.«
Clary legte eine Hand auf einen der Griffe und drückte die Klinke herunter. Die Tür schwang mit einem leisen, zischenden Geräusch auf. Sofort senkte Clary ihre Stimme: »Vielleicht hat ja eine der beiden diese Nachricht hinterlassen?«
»Das entspricht eigentlich weder Maias noch Isabelles Stil«, überlegte Simon ernsthaft verwirrt. »Meinst du, Jace könnte sich einen Scherz erlaubt haben?«
Die Erwähnung seines Namens traf Clary wie ein Schlag in den Magen. Sie hielt einen Moment die Luft an und erklärte dann: »Ich glaube nicht, dass er so was tun würde — nicht einmal, wenn er total sauer wäre.« Vorsichtig spähte sie durch die halb geöffnete Tür und stellte zu ihrer Erleichterung fest, dass das Innere des Gebäudes wie eine ganz normale Kirche aussah: ein langer Mittelgang mit Bänken auf beiden Seiten und flackernden Lichtern, vermutlich brennenden Kerzen. Bestimmt konnte es nicht schaden, einen kurzen Blick hineinzuwerfen … »Ich muss Schluss machen, Simon«, sagte sie. »Ich ruf dich später noch mal an.« Dann klappte sie ihr Handy zusammen und betrat das Gebäude.
»Meinst du wirklich, das war nur ein Scherz?«, hakte Jordan nach, während er im Wohnzimmer unruhig auf und ab lief wie ein Tiger im Zoo. »Ich weiß nicht recht. Mir kommt das vor wie ein ziemlich übler Witz.«
»Ich hab ja gar nicht behauptet, dass die Geschichte nicht übel ist.« Simon schaute in Richtung des Zettels, der auf dem Sofatisch lag. Die großen Druckbuchstaben waren selbst aus dieser Entfernung zu erkennen. Der Anblick bereitete ihm ein mulmiges Gefühl, obwohl er wusste, dass die Nachricht keinerlei Bedeutung hatte. »Ich überlege einfach nur, wer ihn geschickt haben könnte. Und warum.«
»Vielleicht sollte ich mir den Tag freinehmen und statt auf dich lieber auf sie aufpassen«, schlug Jordan vor. »Du weißt schon — nur für alle Fälle.«
»Ich vermute, du redest von Maia«, erwiderte Simon. »Ich weiß ja, du meinst es
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