Chroniken der Unterwelt Bd. 4 City of fallen Angels
herbeizuzitieren und zu bündeln. Der im Buch abgebildete Zirkel war mit grüner Tinte aufgetragen und erinnerte an zwei konzentrische Kreise mit einem Quadrat in der Mitte. Der Bereich zwischen den Kreisen war mit Runen versehen — Runen, die Clary zwar nicht kannte, die ihr aber erneut einen Schauer durch den Körper jagten. Denn sie konnte die Sprache der Runen in ihren Knochen spüren; sie sprachen von Blut und Tod.
Hastig blätterte sie die Seite um und stieß auf eine Reihe von Abbildungen, die sie erschrocken nach Luft schnappen ließen. Es handelte sich um eine Abfolge von Illustrationen, die mit dem Bildnis einer Frau mit einem Vogel auf der linken Schulter begann. Dieser Vogel, möglicherweise ein Rabe, wirkte unheilvoll und verschlagen. Bei der zweiten Abbildung war der Vogel verschwunden und die Frau eindeutig schwanger. Im dritten Bild lag die Frau auf einem Altar — vergleichbar mit dem Altar, vor dem Clary gerade stand. Eine Gestalt in einer Robe ragte davor auf, mit einer erschreckend modern wirkenden Injektionsspritze in der Hand. Die Spritze war bis zum Rand mit einer dunkelroten Flüssigkeit gefüllt. Und die Frau schien eindeutig zu wissen, dass man ihr diese Injektion verabreichen wollte, denn sie schrie aus Leibeskräften.
In der letzten Abbildung erkannte man die Frau mit einem Säugling auf dem Schoß. Das Kind wirkte beinahe normal, nur seine Augen waren vollständig schwarz, ohne jedes Augenweiß. Und die Frau schaute mit einem Ausdruck des Entsetzens im Gesicht auf ihr Kind.
Clary spürte, wie sich ihr die Nackenhaare aufrichteten. Ihre Mutter hatte recht gehabt. Irgendjemand versuchte tatsächlich, weitere Kinder wie Jonathan zu erschaffen. Genau genommen, waren die Versuche bereits erfolgreich gewesen.
Benommen trat sie einen Schritt zurück. Jede Faser ihres Körpers schrie, dass mit diesem Ort irgendetwas nicht stimmte, und sie wollte keine Sekunde länger bleiben als nötig. Ich gehe lieber nach draußen und warte dort auf die Kavallerie, dachte sie. Denn obwohl sie diesen Hinweis ohne fremde Hilfe entdeckt hatte, beinhaltete das Ergebnis ihrer Nachforschungen deutlich mehr, als sie allein bewältigen konnte.
Und genau in diesem Moment hörte sie das Geräusch.
Ein leises Säuseln, wie das Schwappen einer sanften Ebbewelle, ertönte irgendwo über ihr. Clary schaute hoch, den Athame fest umklammert, und erstarrte. Auf der gesamten Galerie standen reglose Gestalten, Reihe um Reihe. Sie trugen scheinbar Joggingsachen — Turnschuhe, mattgraue Trainingshosen und graue Joggingjacken mit hochgeschlagener Kapuze. Sie verharrten vollkommen stumm und starr, die Hände auf das Geländer gestützt, und schauten auf Clary herab. Zumindest nahm sie an, dass die Gestalten sie ansahen, denn ihre Gesichter lagen in den Schatten verborgen. Clary konnte noch nicht einmal sagen, ob es sich um Frauen oder Männer handelte.
»Es … es tut mir leid«, stammelte sie. Ihre Stimme hallte laut von den Steinmauern. »Ich wollte niemanden stören …«
Sie erhielt keine Antwort. Nur Schweigen. Tonnenschweres Schweigen. Clarys Herz begann, schneller zu schlagen.
»Ich geh dann mal wieder«, sagte sie und schluckte. Hastig trat sie auf den Altar zu, legte den Athame zurück und wollte sich gerade zum Gehen wenden. Doch in dem Moment — einen Sekundenbruchteil, bevor sie sich umdrehte — nahm sie den Geruch wahr, den vertrauten Gestank von fauligem Abfall. Zwischen ihr und der Tür ragte wie eine Wand ein albtraumhaftes Gebilde auf, mit schuppiger Haut, rasiermesserscharfen Zähnen und ausgefahrenen Klauen.
Obwohl Clary während der vergangenen Wochen intensiv trainiert hatte, wie sie sich im Kampf mit einem Dämon — selbst mit einem riesigen Dämon — verhalten musste, war sie nun, da die Situation tatsächlich eintrat, zu nichts anderem in der Lage, als laut aufzuschreien.
11
UNSERE ART
Der Dämon stürzte sich auf Clary, die abrupt aufhörte zu schreien und sich nach hinten warf, über den Altar hinweg — ein perfekter Rückwärtssalto. Einen bizarren Moment lang wünschte sie, Jace wäre da gewesen und hätte sie gesehen. Geduckt landete sie auf dem Boden, genau im selben Augenblick, als etwas mit voller Wucht gegen den Altar prallte und den Marmor erzittern ließ.
Ein Heulen hallte durch die Kirche. Clary rappelte sich auf und spähte vorsichtig über den Rand des Altars. Der Dämon war nicht so groß wie befürchtet, aber auch nicht gerade klein — er hatte etwa die Größe eines hohen
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