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Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Titel: Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Gewölbes. Rings um sie herum herrschte absolute Finsternis. Wäre er dem ersten Unterirdischen nicht auch in finsterster Nacht begegnet, er hätte sich vermutlich nichts dabei gedacht. Doch mit dieser Erfahrung im Gepäck erkannte er das Muster sofort wieder. Es waren Augen. Eine Traube von Augen.
    »Dort drüben«, flüsterte er. »Sehen Sie?«
    »Ich sehe ihn«, antwortete Humboldt. »Und ich glaube, er kann uns ebenfalls sehen. Vorsicht jetzt. Halt dich hinter meinem Rücken. Ich weiß? nicht, ob ich so weit werfen kann.«
    »Geben Sie mir die Flasche«, flüsterte Oskar. »Im Werfen bin ich nicht zu schlagen.«
    Humboldt überlegte kurz, dann zog er seinen rechten Handschuh aus. »Hier. Komm bloß nicht mit deinen Fingern daran. Und halte dich von den Dämpfen fern.«
    »In Ordnung.« Oskar zog sich die Handschuhe über, nahm das Fläschchen und wog es prüfend in der Hand. Der dicke Lederhandschuh machte die Einschätzung schwierig.
    »Beeilung«, flüsterte Humboldt. »Ich glaube, das Biest beginnt sich zu bewegen.«
    »Wohin damit?«
    »Am besten direkt vors Gesicht. Und dann nichts wie weg!«
    »Kapiert.« Oskar drehte seinen Arm einmal im Kreis, holte dann weit aus und schleuderte die Kartusche mit aller Kraft in Richtung des Rieseninsekts. Er hörte ein feines Klirren, gefolgt von einem Zischen. Ganz schwach erkannte er eine grünliche Wolke, die direkt unter der Augentraube in die Höhe stieg.
    Charlotte hörte einen Schrei. Es war das furchtbarste Geräusch, das jemals an ihre Ohren gedrungen war. Ein nicht enden wollendes Kreischen, das aus dem Fels selbst zu kommen schien und einem in Mark und Bein fuhr. Schweres Rumpeln erklang von innen, als ob etwas gegen die Mauern der Festung anrannte. Der Boden unter ihren Füßen erzitterte, dann wurde es still. Grünlicher Dampf drang durch eine der Schießscharten und ein beißender Gestank breitete sich aus.
    »Oh mein Gott!«, stieß sie hervor. Und dann: »Eliza, kannst du herausfinden, was mit ihnen passiert ist? Kannst du Kontakt zu Humboldt aufnehmen?«
    Die dunkle Zauberin schloss die Augen, öffnete sie aber schon nach wenigen Sekunden wieder. »Nein«, sagte sie. »Es sind zu viele Menschen hier.«
    »Dann müssen wir hinein und selbst nachsehen. Yupan, öffnen Sie die Tür.«
    Der Priester nickte und gab dem Hauptmann ein Signal. Eine Handvoll Krieger stemmte sich gegen die rostige Pforte, die knarrend aufschwang. Der Hauptmann und seine Krieger betraten das Gebäude, dicht gefolgt von Eliza, Charlotte und Boswell. Alle hielten sich angefeuchtete Tücher vor den Mund. Der Gestank war atemberaubend. Das Gas war zwar verflogen, aber was übrig geblieben war, reichte immer noch aus, die Atemwege zu reizen. Die Wachen entzündeten mehrere Fackeln und betraten das riesige Gewölbe. Ihre Schatten tanzten wie Spukgestalten an den Wänden. Charlotte kämpfte mit den Tränen, während sie Wilma an ihre Brust drückte. In der Halle war es so still wie in einer Grabkammer. Sie konnte nur hoffen, dass Oskar und ihr Onkel mit dem Leben davongekommen waren. Sie mussten einfach.
    Sie waren etwa fünfzig Meter weit gegangen, als sie einen unterdrückten Schrei ausstieß. »Da drüben«, rief sie. »Seht ihr?«
    Rechts in der Dunkelheit lag eine zusammengekrümmte, unförmige Masse, auf deren horniger Oberfläche sich das Licht der Fackeln spiegelte. Der Hauptmann wies sie an, nicht näher heranzugehen, aber Charlotte ignorierte seinen Befehl. Sie musste wissen, was aus den beiden geworden war.
    Beim Näherkommen erkannte sie, dass es das Rieseninsekt war. Es war tot. Nicht der kleinste Funken Leben regte sich mehr hinter der Schale aus Hörn und Chitin. Dieses Biest würde dem Volk des Himmels nichts mehr zuleide tun.
    Plötzlich hörte sie ein Geräusch. Sie drehte sich um und sah zwei Gestalten aus dem hinteren Teil der Höhle kommen. Ihr Herz machte einen Sprung. Es waren die beiden verloren geglaubten Abenteurer. Hustend und nach Luft ringend, kamen sie ihnen entgegen. Sofort waren die Indianer bei ihnen und stützten sie. »Es geht schon«, keuchte Humboldt. »Wir brauchen nur etwas Wasser.«
    Auf ein Zeichen Yupans hin lief ein Krieger los und kam mit einer tönernen Karaffe wieder. »Trink, mein Junge«, sagte Humboldt und hielt Oskar das Gefäß an die Lippen. Oskar ließ die klare Flüssigkeit durch seine Kehle rinnen. Dann nahm der Forscher selbst einen Schluck.
    »Geht es euch wieder gut?« Charlotte berührte das kleine goldene Kreuz, das sie immer um

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