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Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Titel: Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Reisenden kamen sich auf ihren Maultieren wie Zwerge vor angesichts der mächtigen Felsen, die ringsumher aufragten. Riesige, seltsam geformte Brocken, die aussahen, als habe ein Riese mit ihnen Kegel gespielt. Manche von ihnen waren so hoch, dass ihre Spitzen von den niedrig hängenden Wolken verschluckt wurden. Der Boden des Tals war weitläufig und eben, sodass die Lasttiere keine Probleme hatten. Die Straße war breit und mit Schotter bestreut und zog sich zwischen Bäumen, Farnen und Kakteen hindurch.
    Mit den zurückgelegten Kilometern gewannen sie langsam an Höhe. Die wenigen Gehöfte, an denen sie vorübergekommen waren, lagen bereits weit hinter ihnen. Hütten gab es so gut wie keine, und wenn, dann waren sie schon vor langer Zeit verlassen worden. Vor wenigen Stunden waren sie auf einen Grenzposten gestoßen, doch dank der Passierscheine hatte man sie anstandslos weiterziehen lassen. Das Tal, durch das sie jetzt ritten, war menschenleer.
    Humboldt, der immer ein Stück voranritt, sondierte mit seinen Gerätschaften die Umgebung. Unentwegt machte er Notizen oder zupfte Blätter ab. Eines seiner wichtigsten Utensilien war ein Herbarium, eine Vorrichtung zum Sammeln, Pressen und Trocknen von Pflanzen. Aber auch Messinstrumente zum Bestimmen der Luftfeuchtigkeit, des Luftdrucks und der Windgeschwindigkeit kamen zum Einsatz. Er war so versunken in seine Arbeit, dass er kaum ansprechbar war. Oskar hatte zudem den Eindruck, dass der Forscher ihn seit der Aktion mit dem Einbruch mit Missachtung strafte. Er hatte gewusst, dass er eine solch eigenmächtige Aktion nicht gutheißen würde, aber insgeheim hatte er doch auf ein kleines Lob gehofft. War er denn nicht genau deshalb angeheuert worden? Um Dinge zu organisieren, wie Humboldt gesagt hatte? Er wurde aus seinem Herrn einfach nicht schlau. Je mehr er darüber nachgrübelte, desto mehr begann sein alter Verdacht wieder zu schwelen. Er spürte, dass man ihm nicht die Wahrheit gesagt hatte, dass man ihm etwas verheimlichte. Etwas Schwerwiegendes. Etwas fundamental Wichtiges.
    Oskar sah sich um. Die Stille und die trockene Luft machten ihm zu schaffen. Er fühlte sich nervös und angespannt. Außerdem wurde er das Gefühl nicht los, dass irgendjemand oder irgendetwas sie beobachtete. Charlotte und Eliza ritten etwa zwanzig Meter hinter ihm, augenscheinlich bei bester Laune. Oskar verlangsamte sein Reittier und wartete, bis sie zu ihm aufgeschlossen hatten.
    »Hallo«, sagte Eliza, als sie auf gleicher Höhe waren. »Möchtest du dich uns anschließen?«
    »Gerne«, sagte Oskar. »Mir ist irgendwie unheimlich hier.«
    »Warum?«, fragte Charlotte. »Ist doch alles in bester Ordnung. Wir sind unterwegs, haben Proviant in den Taschen und ein Maultier unterm Hintern.« Die beiden Frauen kicherten vergnügt.
    »Diese Stille macht mich ganz verrückt«, sagte Oskar. »In Berlin ist es immer laut. Überall sind Händler, Bettler, Bürger und Reisende, die drängeln, schieben, lachen und fluchen. Man hat nie den Eindruck, allein zu sein. Selbst in der Nacht ist die Stadt immer erfüllt von Geräuschen. Hier ist es so still, dass man selbst den Wind hört, der über die Ebene streicht.«
    »Ich mag diese Ruhe«, sagte Charlotte. »Wenn es still ist, habe ich immer das Gefühl, dass alles Mögliche passieren könnte. Man spürt förmlich das Abenteuer, das in der Luft liegt.«
    »Wie kommen wir eigentlich wieder zurück?«, fragte Oskar. »Habt ihr euch darüber schon Gedanken gemacht? Wir können kaum in Camana wieder an Bord gehen. Alvarez erwartet uns dort mit geladenen Gewehren.«
    »Entspann dich und hör auf, dir immer Sorgen zu machen«, sagte Eliza. »Ich bin sicher, es gibt einen Weg, der uns direkt nach Lima führt.« Sie schenkte ihm ein Lächeln. »Du bist ein kluger Junge, Oskar. Ich freue mich sehr, dass du uns begleitest.«
    »Ehrlich?«
    Sie nickte. »Ich habe gerade zu Charlotte gesagt, wie mächtig stolz wir alle auf dich sind. Dieser Einbruch war wirklich ein Meisterstück.«
    »Humboldt scheint anderer Meinung zu sein«, sagte Oskar. »Seit wir von Camana aufgebrochen sind, hat er kaum ein Wort mit mir gewechselt.«
    »Das liegt nur daran, dass er sich schreckliche Sorgen gemacht hat. In Wirklichkeit ist er genauso stolz wie wir, das kannst du mir glauben.«
    »Ich hatte eigentlich nur Glück«, sagte Oskar. »Ohne Capacs Hilfe wären wir nie so weit gekommen.«
    »Ich hoffe nur, dass Alvarez nicht herausbekommt, dass er uns geholfen hat, sonst zieht er

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