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Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Titel: Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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…« Er reichte ihm eine lederne Röhre. Oskar erkannte sofort, dass es die Rolle mit den Reisedokumenten war. Er war sprachlos. In der einen Hand den Beutel, in der anderen die Röhre, schenkte er dem Indianer ein strahlendes Lächeln. »Danke, Capac«, sagte er. »Wie kommt es, dass du so nett zu uns bist?«
    »Ist … Ehre für mich. Vielleicht du wirst eines Tages erfahren.«
    Die Worte klangen geheimnisvoll, aber für den Moment waren sie gerettet. »Ich wüsste nicht, was wir ohne deine Hilfe täten«, sagte Oskar. »Du bist ein guter Freund.«
    Im Halbdunkel leuchteten kurz die Zähne des Indianers auf. »Colca ist peligrosos viajes … gefährliche Reise.«
    »Kennst du die Colca-Schlucht?«
    Capac zögerte kurz, dann sagte er: »St. Canon del Colca ist verflucht. Nicht betreten. Reich der Regenfresser.«
    Oskar blickte ihn erschrocken an.
    »Diesen Namen schon einmal gehört?«
    Oskar nickte. »Allerdings … und je mehr ich darüber höre, desto rätselhafter wird es.« Nachdenklich schüttelte er dem Indianer die Hand. »Aber jetzt muss ich wieder los. Hoffentlich hat man meine Abwesenheit noch nicht bemerkt. Leb wohl, Capac«, sagte er, »und nochmals ein herzliches Dankeschön für deine Hilfe. Das werde ich dir nie vergessen.« Er spürte, dass seine Augen feucht wurden.
    »Adios, mi amigo.«

17
     
    Zwei Tage später …
     
    Gouverneur Ernesto Alvarez war außer sich. Nicht nur die Rolle mit Humboldts Reisedokumenten fehlte, nein, auch der Beutel mit Schmiergeldern war weg. Ein geringer Betrag, gewiss, aber doch so viel, dass es wehtat. Zudem warf es ein schlechtes Licht auf ihn, wenn bekannt wurde, dass sich der oberste Herr dieses Landes so einfach bestehlen ließ. Er ließ seine Reitgerte durch die Luft pfeifen. Wenn er den in die Finger bekam, der das zu verantworten hatte, er würde ihn kopfüber an der höchsten Zinne seines Hauses aufhängen.
    Vom Kirchturm der Stadt schlug es elf. Wo steckte bloß dieser Forscher? Zehn Uhr war ausgemacht gewesen. Es war eine Frechheit, ihn so lange warten zu lassen. Alvarez hatte bereits seinen Kutscher ausgeschickt, nach ihm zu suchen.
    »Capac!«
    Die gebeugte Erscheinung des Indianers erschien in der Tür. »Señor?«
    Alvarez nahm seine Reitgerte und schlug dem Indianer ins Gesicht. Der Mann fiel zu Boden und hielt sich die Wange.
    »Weißt du, wer mich bestohlen hat? Heraus mit der Sprache!«
    »No, Señor.«
    »Warst du es am Ende selbst?«
    »No. Lo juro.«
    »Manuel sagt, er habe dich draußen auf dem Balkon gesehen. Was hattest du dort zu suchen?«
    »Habe Geräusche gehört«, wimmerte Capac. »Affen im Weinstock. Habe sie vertrieben.«
    »Ich werde dein Zimmer durchsuchen lassen, du verlogene Schlange. Und wehe, ich finde einen Hinweis, dass du mit dem Dieb unter einer Decke steckst! Dann wirst du dir wünschen, lieber tot zu sein.«
    »Si, Señor.«
    Alvarez atmete schwer. »Wer hatte Zugang zu diesem Raum?«
    »Außer Ihnen?«
    »Ja, du Hornochse.«
    »Räume in Haus niemals abgeschlossen«, sagte der Indio. »Nie nötig. Niemand hat gewagt, Exzellenz zu bestehlen.«
    »Ja, ja.« Alvarez winkte ungeduldig ab. Er wusste selbst, dass die meisten Räume dieses Gebäudes ungesichert waren. Ihm war das nur recht. Er hatte keine Lust, immer mit einem riesigen Schlüsselbund herumzurennen. Er konnte sich nicht vorstellen, dass es jemand von seinem Personal gewesen war. Alle wussten um die drakonischen Strafen, die auf Diebstahl standen. Keiner von ihnen würde es wagen, sich einem derartigen Risiko auszusetzen. Seine Gedanken kreisten unentwegt um den vermeintlichen Forscher und seine Begleitung. Irgendetwas an ihnen war ihm von Anfang an seltsam vorgekommen. Schon von der ersten Minute an hatte er Zweifel an der Echtheit dieses angeblichen Humboldt-Nachfahren gehabt. Der Mann war eigentlich viel zu jung, um Humboldts Sohn zu sein. Bei seinen Berechnungen war er zu dem Schluss gekommen, dass der berühmte Entdecker weit über siebzig gewesen sein musste, als er dieses Kind gezeugt hatte – eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Andererseits: Ihm war die Echtheit ziemlich schnuppe, solange die Bezahlung stimmte. »Na, egal«, sagte Alvarez. »Ich brauche dich im Moment nicht. Mach, dass du wegkommst, aber halte dich zur Verfügung.«
    »Si, Señor.« Capac verbeugte sich und verschwand lautlos.
    Im Hof war Hufgetrappel zu hören. Das Schnauben von Pferden hallte durchs offene Fenster. Die Kutsche war endlich zurück. Alvarez strich sich über den

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