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Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Titel: Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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einiger Zeit verdächtig still.
    »Eliza?«
    Keine Antwort.
    »Eliza!«
    Die dunkle Frau hockte einige Meter weiter auf einem Stein, die Augen fest geschlossen haltend. Oskar bemerkte, dass sie etwas in den Händen hielt. Etwas Rechteckiges, das wie Gold schimmerte. Die Fotoplatte.

23
     
     
    Harry Boswell wälzte sich unruhig im Schlaf hin und her. Eben noch hatte er von seinem kleinen Haus in New Jersey geträumt, von seinem Garten und der hübschen Nachbarin, die ihm fröhlich zuwinkte, als plötzlich die Bilder verblassten und eine andere Szene erschien.
    Er war wieder in der Colca-Schlucht. Genau wie zu Beginn seiner Reise – noch ehe er auf den Himmelspfad gestoßen war. Im Traum durchlebte er seine Entdeckung erneut.
    Die Landschaft um ihn herum sah aus wie ein Gräberfeld. Lauter Steine, die ihm bis zur Hüfte gingen und die irgendwie behauen wirkten – genau wie Grabsteine. Er blickte sich um. Die Gegend jagte ihm Schauer über den Rücken. Bislang war er durch dichten Bergwald gereist, doch mit einem Mal waren die Bäume weg. Ein unnatürlich kahler Talkessel breitete sich vor ihm aus. Er hatte gerade damit begonnen, die grasbewachsene Ebene zu erkunden, als er plötzlich hinter sich einen jämmerlichen Schrei hörte.
    Sein Maultier!
    Es hatte die Angewohnheit, immer ein paar Schritt zurückzubleiben und das Umland nach etwas Fressbarem abzusuchen. Den Lauten nach zu urteilen, schien es sich ernsthaft verletzt zu haben. Nicht auszudenken, wenn es sich einen Knöchel gebrochen hatte.
    Die Schreie hallten von den Wänden wider.
    Als er es endlich fand, schienen sich seine schlimmsten Befürchtungen zu bestätigen. Sein Muli war in eine Felsspalte getreten und bis zum Oberschenkel darin versunken. Seine Augen rollten in Panik und auf seinem Maul war Schaum.
    »Ho«, sagte Boswell. »Ganz ruhig, mein Guter. Was machst du denn für Sachen, hm? Na warte, gleich haben wir dich wieder draußen.«
    Es war aber nicht so einfach, wie es aussah. Das Bein steckte wirklich tief drin und das arme Tier war so panisch, dass der Reporter aufpassen musste, nicht vom Vorderhuf getroffen zu werden. Nach drei Anläufen aber hatte er es endlich geschafft.
    Eine Untersuchung ergab, dass sich das Maultier außer ein paar Schürfwunden keine nennenswerten Verletzungen zugezogen hatte. Das Wichtigste – der Knöchel – war unversehrt. Erschöpft ließ er sich nieder. Er zog die Feldflasche aus der Satteltasche und trank einen Schluck. Als er die Flasche absetzte, fiel sein Blick auf den Stein, der direkt neben der Felsspalte aufragte. Einige merkwürdige Kratzspuren waren darauf zu erkennen. Aber waren das wirklich Kratzspuren? Er befreite die Markierungen von Moos und Flechten und betrachtete sie eingehender. Nein, entschied er, das waren keine zufälligen Spuren. Diese Zeichen hatte jemand in den Stein geritzt, und zwar vor ziemlich langer Zeit. Er zog sein Notizbuch heraus und begann die Symbole abzuzeichnen. Als er fertig war, fühlte er ein merkwürdiges Kribbeln in sich aufsteigen. Er hatte lange genug in diesem Land gelebt, um die Grundlagen der hiesigen Indianersprache zu erlernen. Ketschua war in erster Linie eine gesprochene Sprache. Schrift gab es so gut wie keine, sah man mal von der eigenartigen Knotenschrift der Inka ab, der sogenannten Quipu. Sie bestand im Wesentlichen aus einer Aneinanderreihung vertikal hängender Schnüre, in denen in unterschiedlichen Abständen verschiedene Knoten angebracht waren. Das Ganze erinnerte ein wenig an eine Halskette mit herabhängenden Perlenschnüren. Genau so etwas war auch hier, nur eben in den Stein geritzt. Boswell, der weit davon entfernt war, ein Quipu-Spezialist zu sein, verstand gerade so viel, dass er mitbekam, dass hier von einem Pfad die Rede war, der in den Himmel führte. Vielleicht zu einer verborgenen Inkafestung. Na, das wäre doch mal etwas. Ihm war alles recht, um nur endlich aus diesem bedrückenden Tal herauszukommen. Die Markierung sprach von einem bestimmten System, einem Code. Man musste den einzelnen Steinen in einer bestimmten Reihenfolge nachgehen. In seiner Erinnerung band er das Maultier an und begann, der Spur nachzugehen. Schritt für Schritt, Stein für Stein, immer darauf bedacht, ja keinen Hinweis zu übersehen. Immer weiter entfernte er sich von dem Weg, geradewegs bis an die Flanken des Berges, einem ungewissen Abenteuer entgegen.
    Er schlug die Augen auf. Sein Atem ging stoßweise, sein Puls raste. Seine Haut war schweißbedeckt. Mit offenen

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