Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon
schließen«, protestierte Oskar. »Wir werden eingeklemmt!«
»Das ist genau der Plan. Komm schon, stemm dich mit den Beinen gegen den Sockel, ich werde mich am Rahmen festhalten. Beten wir, dass unser Roboter dem Wasserdruck standhält.«
»Großer Gott, Sie haben doch wohl nicht vor …«
»Doch, genau das. Und jetzt los!«
Oskar spreizte die Beine und stellte den Automaten quer in die Tür. Die schwere Pforte schwenkte zu, traf auf den sperrigen Roboter und drückte gegen ihn. Oskar konnte den Druck spüren, mit dem die Tür sich zu schließen versuchte, doch es half nichts. Der Widerstand, den ihr der Fremdkörper entgegensetzte, war einfach zu groß. Die Servomotoren jaulten und heulten. In diesem Moment öffnete sich die innere Tür. Mit Entsetzen blickte Oskar auf die sich anbahnende Katastrophe.
Er wurde bleich. Das war doch Wahnsinn.
Humboldt wollte den Tunnel fluten.
Ein gewaltiger Sog entstand. Oskar konnte spüren, wie das Wasser am Rumpf ihres Roboters zerrte. Immer mehr Wasser strömte in den gläsernen Tunnel. Offenbar hielt Daron die eigenen Roboter nicht für fähig, einen solchen Sabotageakt zu begehen, sonst wäre es bestimmt zu einer Sicherheitsabschaltung gekommen. So aber schwenkte die Tür nach innen und ließ das Meerwasser ungehindert einströmen. Donnernd und rauschend ergossen sich Millionen von Hektolitern Wasser an ihnen vorbei in die Tunnel des Transportsystems. Die Kräfte, die dabei entfaltet wurden, waren atemberaubend. Oskar sah, wie die Flutwelle auf die Wachroboter traf, ihnen die Beine unter dem Leib wegriss und sie den Tunnel hinabspülte. Die mechanischen Leiber kugelten herum, schlugen gegeneinander und verschwanden dann mit furchtbarem Gepolter in den Tiefen der Bahnschächte.
Wie lange es dauerte, bis das Wasser auf die erste Barriere traf, ließ sich nicht ermessen, aber es würde die Wachroboter erhebliche Zeit kosten, den ganzen Weg wieder zurückzumarschieren. Vorausgesetzt, sie überstanden die Katastrophe unbeschadet.
Doch auch ihrem eigenen Roboter drohte Gefahr. Durch die Scheibe konnte Oskar sehen, wie seine Eisenhände bei dem Versuch, sich festzuhalten, über das Metall schrammten. Die Füße wurden Stück für Stück zurückgedrückt. Wären sie nicht zwischen der Tür eingeklemmt, der Druck hätte sie bestimmt mitgerissen. So aber überstanden sie das Schlimmste.
Nach einer Weile ging es besser. Der Sog wurde schwächer. Der Tunnel hatte sich bereits zu zwei Drittel mit Wasser gefüllt. Mit jedem Meter, den es stieg, ließ die Strömung nach.
Es mochten etwa fünf Minuten vergangen sein, als Humboldt sagte: »Ich denke, jetzt könnte es gehen. Komm, wir wollen es mal versuchen.«
Oskar löste die Beinschere. Der Roboter machte einen Sprung vorwärts. Er wurde ein Stück in den Tunnel hineingesaugt, landete dann aber auf beiden Füßen. Oskar musste ein paar Ausgleichsbewegungen machen, um die Balance zu halten. Doch es dauerte nicht lange, bis er ein Gespür für die ungewöhnliche Körperlage des Roboters entwickelte hatte. Leicht gegen die Strömung geneigt, bewegte er sich vorwärts und steuerte dabei auf die Marmortreppen zu, die zum Palast hinaufführten. Wie alles andere waren auch sie jetzt völlig vom Wasser überspült. Nur der oberste Teil, dort, wo sich die Tür befand, war frei. Die Luft hatte einen Hohlraum gebildet, der es den beiden Abenteurern ermöglichte, trockenen Fußes das Innere des Palastes zu betreten. Oskar stapfte die letzten Stufen hinauf, stellte den tropfnassen Roboter dann ab und öffnete die Außenluke. Frische Luft strömte ihnen entgegen. Der beißende Rauch wurde nach draußen geweht. Oskar stieg aus und hustete erst mal kräftig. Der Forscher sprang neben ihm aus der Kabine und legte seine Hand auf Oskars Rücken. »Geht’s wieder, mein Junge?«
Oskar nickte und wischte über seinen Mund. »Lassen Sie uns dieses Ding abschalten und dann nichts wie weg hier!«
Humboldt fegte die Tropfen von seinem Mantel und blickte grimmig geradeaus. »Genau so machen wir es.«
60
Eine Ehrfurcht gebietende Ruhe lag über dem Saal, die nur durch das Klicken der Relais gestört wurde. Oskar konnte das Quietschen seiner Sohlen hören, als er über den Marmorboden auf den magischen Kristall zuging. Er war noch nicht weit gekommen, als Darons Stimme ertönte.
»HALLO, PROFESSOR HUMBOLDT, HALLO, OSKAR.«
Die Frauenstimme klang sanft und melodisch.
Humboldt hob den Kopf. »Hallo, Daron.«
»ES IST EINE FREUDE, SIE
Weitere Kostenlose Bücher