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Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon

Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon

Titel: Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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hinter Humboldt hereilte.
    Im Fahrstuhl war es eng und stickig. Wie in einem Schweinepferch standen sie zusammengedrängt zwischen aufgeregten und schwitzenden Menschen, während die Stahlseile sich spannten und die Metallkonstruktion quietschend nach oben gezogen wurde. Es dauerte ein paar Minuten, dann kamen sie an. Charlotte atmete erleichtert auf, als die Kabinentüren auseinanderschwenkten. Sie hatte enge Räume noch nie leiden können. Humboldt ging zu einem weiteren Aufzug in der Mitte der Plattform und sprach mit einem der Angestellten. Dieser musterte die vier Besucher eingehend, dann ließ er sich die Pässe zeigen. »Was ist los?«, fragte Oskar. »Probleme?«
    »Die oberste Etage ist zurzeit gesperrt«, erläuterte der Forscher. »Man kommt nur mit einer Sondergenehmigung oder auf ausdrückliche Einladung von Monsieur Gérome hinauf.«
    Charlotte runzelte die Stirn. »Monsieur Gérome? Wer soll das sein?«
    Humboldt zwinkerte ihr zu.
    Der Angestellte schien zufrieden zu sein und machte den Weg frei. Als sie alle eingestiegen waren, folgte er ihnen und schloss die Gittertür. Einige Besucher, die ebenfalls versuchten mitzufahren, wurden von dem Angestellten abgewiesen. Empörte Rufe schallten von unten herauf, doch die Gondel stieg in atemberaubendem Tempo nach oben und schon bald war von den Schreihälsen nichts mehr zu hören. Immer enger rückten die vier tragenden Pfeiler zusammen. Die Gebäude schrumpften auf die Größe von Spielzeugen. Selbst die Seine war nur noch ein silbrig glänzendes Band, das zwischen dem schachbrettartigen Muster der Stadt hindurchfloss. Charlotte tastete nach Oskars Fingern. Sie fühlten sich schweißnass an.
    Endlich wurde die Gondel langsamer. Räder quietschten, Seile knarrten, dann gab es einen Ruck.
    »Endstation.« Der Forscher drückte dem Fahrstuhlführer einen Geldschein in die Hand und stieg aus. »Jetzt wird es interessant. Oh, und ehe ich’s vergesse: Tesla ist ein sehr misstrauischer Mann. Er hat in der Vergangenheit viel Unrecht erleiden müssen. Dementsprechend ist er etwas dünnhäutig. Erwähnt niemals den Namen Thomas Edison in seiner Gegenwart. Habt ihr das verstanden? Gut, dann los.« Damit traten sie hinaus ins Freie.
    Der Wind schlug Charlotte ins Gesicht. Sie konnte gerade noch ihr Kopftuch festhalten, ehe es davongeweht wurde. Die Luft war kühl und schneidend. Fröstelnd band sie das Tuch fester.
    Sie brauchten nicht lange nach Tesla zu suchen. Auf einem Stahlträger, etwa fünf Meter über ihren Köpfen, balancierte ein hochgewachsener schlanker Mann. Er stand inmitten einer Vielzahl fingerdicker Stromkabel, die einer Verdickung in der Spitze des Turms entsprangen und in einen mannsgroßen Kasten mündeten, der neben dem Fahrstuhlschacht auf dem nietenbeschlagenen Boden ruhte.
    Als er sie bemerkte, unterbrach er seine Arbeit, kletterte zu ihnen herab und wischte seine Hände an einem schmutzigen Lappen ab. Nikola Tesla war etwa eins achtzig groß und trug einen dicken Schnauzbart. Seine pechschwarzen Haare waren nach hinten gekämmt und glänzten im Licht der Sonne. Sein Alter war schwer zu schätzen, aber Charlotte tippte auf vierzig. Trotz des schönen Wetters sah seine Haut bleich aus, ja beinahe durchscheinend, was ihn ein wenig kränklich erscheinen ließ. Er musterte sie der Reihe nach, dann sagte er: »Sie wollten mich sprechen, Herr von Humboldt?« Er sprach deutsch, wenn auch mit schwerem serbischem Akzent.
    »Danke, dass Sie uns empfangen«, erwiderte der Forscher. »Wir werden Sie nicht lange aufhalten, versprochen.«
    Um Teslas Mund spielte ein Lächeln. »Ich bitte Sie. Mein guter Freund Ferdinand Graf von Zeppelin hat in den höchsten Tönen von Ihnen geschwärmt. Ich muss gestehen, ich würde mir zu gerne einmal Ihr Luftschiff ansehen, aber leider drängt die Zeit. Der Wetterbericht hat für morgen Abend schwere Gewitter vorhergesagt und es gibt noch so viel zu tun.«
    »Es wäre mir ein Vergnügen, Sie zu einem Probeflug einzuladen«, versicherte Humboldt. »Gerne auch ein andermal, denn auch wir sind in Eile. Es geht um Informationen und ich habe gehofft, dass Sie mir vielleicht weiterhelfen könnten.«
    »Nichts lieber als das«, sagte Tesla. »Schießen Sie los.«
    Humboldt holte tief Luft. »Sagt Ihnen der Name Livanos etwas?«

 
15
     
     
    Oskar bemerkte sofort die Veränderung, die mit Tesla vor sich ging. War er eben noch freundlich und zuvorkommend gewesen, wirkte er plötzlich ernst und misstrauisch. Er blickte sich um,

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