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Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon

Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon

Titel: Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Anblick.«
    »Wir können rüber ins Bistro Madeleine gehen«, schlug Eliza vor. »Humboldt will uns dort in einer Stunde abholen. Ehrlich gesagt habe ich auch Hunger. Allein von Kultur und frischer Luft kann man nicht leben.« Sie zwinkerte Oskar zu.
     
    Wenig später saßen sie unter einem Sonnenschirm am Place Clemenceau. Sie genossen das lebhafte Treiben auf der Champs-Élysées und ließen sich dabei ihre mit Tomaten, Schinken und Käse belegten Baguettes schmecken. Während Eliza mit der Bedienung sprach, streckte Oskar die Füße aus. So viel wie in den letzten drei Tagen war er noch nie gelaufen. Kein Wunder. Paris war wie eine prall gefüllte Wundertüte. Was es hier an Museen, Kirchen, Parks und Palästen gab, übertraf das Angebot in Berlin bei Weitem. Es gab Ausstellungen zu jedem erdenklichen Thema. Technik, Wissenschaft, Astronomie, Kriegskunde, aber natürlich auch Archäologie, Bildhauerei und Malerei. Allein im Louvre konnte man sich tagelang aufhalten. Besonders die Statuen, Obelisken und Sarkophage aus dem alten Ägypten hatten es Oskar angetan. Während Charlotte und Eliza sich für den Goldschmuck aus dem Tal der Könige begeisterten, zog es Oskar zu den Mumien, auf deren eingefallenen Gesichtern noch immer der Glanz der alten Pharaonen lag. Prächtige Gemälde beschworen die Zeit von Tausendundeiner Nacht herauf und ließen einen über die Basare des Orients streifen.
    Humboldt hatte sich während der vergangenen Woche kaum blicken lassen. Jeden Tag traf er sich mit irgendwelchen Forscherkollegen und versuchte, mehr über Tesla in Erfahrung zu bringen. Abends, wenn er auf ein kurzes Essen vorbeikam, war er meist mürrisch und gereizt, und morgens, wenn sie sich zum Frühstück trafen, war er schon wieder weg. Oskar hätte gerne gewusst, wie der Stand der Dinge war, doch wenn er daran dachte, was es hier in Paris noch alles zu entdecken gab, vergaß er seine Sorgen schnell wieder. Er hätte dieses Leben problemlos noch ein oder zwei Wochen weiterführen können. Savoir-vivre nannten die Franzosen diesen Zustand. Die Kunst, das Leben zu genießen. Davon konnte man sich in Deutschland ruhig mal eine Scheibe abschneiden.
    Er fütterte Wilma mit einem Keks und wollte Eliza gerade um ein weiteres Zitronensorbet anbetteln, als ein Zweispänner heranraste und direkt vor dem Bistro zum Stehen kam. Die Pferde schäumten und keuchten, als wären sie um ihr Leben gerannt. Ihre Flanken glänzten vor Schweiß.
    »Hoch mit euch«, erklang eine vertraute Stimme. »Packt alles zusammen und dann nichts wie los!« Humboldt sprang aus dem Fond des Wagens und eilte auf sie zu. Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck höchster Erregung. Sein langer schwarzer Mantel flatterte im Wind. »Ich habe ihn endlich gefunden. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, was das für eine Mühe war! Und was das Beste ist: Er hat zugesagt, uns zu empfangen. Kommt, beeilt euch!« Er winkte die Bedienung heran und bezahlte die Rechnung.
    »Wo ist er? Wie hast du ihn gefunden?«
    »Das war gar nicht so leicht. Er ist seit etwa zwei Wochen in der Stadt, aber er liebt es, inkognito zu reisen. Kaum jemand weiß, dass er hier ist.«
    »Wo lebt er denn sonst?«
    »Tesla ist vor einigen Jahren in die Vereinigten Staaten umgesiedelt, aber ein besonderes Wetterexperiment hat ihn veranlasst, in seine alte Heimatstadt zurückzukehren. Beeilt euch!«
    Als alle eingestiegen waren, gab Humboldt dem Fahrer ein Zeichen. Der Zweispänner schoss nach vorne. Oskar, der immer noch stand, landete halb auf Charlottes Schoß.
    »He, nicht so stürmisch«, sagte sie mit einem schelmischen Lächeln. »Paris ist schließlich die Stadt der Romantik.«
    Oskar spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss. Wer konnte denn ahnen, dass ihr Fahrer so ein Tempo vorlegte?
    Der Kutscher riss an den Zügeln und lenkte das Gespann in eine Wende von hundertachtzig Grad quer über die Champs-Elysees. Der Boulevard war dicht befahren, sodass einige Fuhrwerke bremsen oder ausweichen mussten. Pferde wieherten. Zwei Fahrzeuge schrammten gegeneinander bei dem Versuch, dem tollkühnen Fahrer auszuweichen. Wütendes Geschrei scholl zu ihnen herüber.
    »Du meine Güte«, sagte Oskar. »Ich fürchte, wir sind in den Händen eines Wahnsinnigen!«
    »Pierre ist ein alter Bekannter.« Humboldt stützte sich lächelnd auf seinen Stock. »Ich habe ihn angewiesen, auf die Tube zu drücken. Besser, wir beeilen uns. Wer weiß, wie lange Tesla noch am Treffpunkt ist. Ich habe keine Lust, dass er

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