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Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon

Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon

Titel: Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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viel Glück.« Noch einmal knallte die Peitsche. Die Pferde schossen ängstlich wiehernd davon. Während ihre Kutsche mit stetig wachsendem Tempo über das Kopfsteinpflaster holperte, sah Oskar, wie der Fremde seine Waffe auf den Sitz warf und auf den Kutschbock kletterte. Erneutes Knallen und Zischen ertönte, dann setzte sich das seltsame Fahrzeug in Bewegung. Die wenigen Passanten, die noch nicht geflohen waren, drückten sich gegen die Häuserwände, während der Fremde mit einer Hundertachtzig-Grad-Drehung wendete. Dabei fuhr er beinahe gegen einen Milchwagen, der gemächlich die Straße entlangtuckerte. Um ihm auszuweichen, musste ihr Verfolger für einen Moment die Straße verlassen. Wie ein Wahnsinniger lenkte er das Fahrzeug über den Gehweg. Fußgänger sprangen zur Seite, als das dröhnende und qualmende Ungetüm auf sie zuraste.
    »Schneller!«, rief Humboldt. »Wir müssen ihm entkommen.«
    Oskar hatte Mühe, sich festzuhalten, als ihre Kutsche mit Höchstgeschwindigkeit in Richtung Seine bretterte. Mochte der Himmel wissen, wo Humboldt diesen Fahrer aufgegabelt hatte. Ein normaler Kutscher war das sicher nicht. Sein Fahrstil erinnerte eher an einen Sulkyfahrer beim Pferderennen. Doch was immer das für ein Mann sein mochte, Oskar war froh, dass sie ihn hatten.
    In gestrecktem Galopp überquerten ihre Pferde die Avenue Montaigne und rannten in Richtung Norden auf den Etoile des Champs Élysées zu.
    Sie waren noch nicht weit gekommen, als hinter ihnen der Motorwagen aus einer Seitenstraße herausschoss. Ihr Verfolger war ihnen dicht auf den Fersen. Er war keine hundert Meter entfernt und holte rasch auf. Der Motorwagen schien um einiges schneller zu sein als ihre Kutsche.
    »Schneller, Pierre, schneller!«
    »Geht nicht, Monsieur. Die Pferde haben ihre Grenze erreicht. Vergessen Sie nicht, wir sind zu fünft.«
    Humboldt spähte nach hinten. Auf seinem Gesicht lag grimmige Entschlossenheit. »So langsam geht mir der Kerl auf den Geist«, zischte er. »Wenn er einen Kampf will, kann er ihn haben.«
    »Warum ist er so viel schneller als wir?«, fragte Oskar.
    »Sein Fahrzeug besitzt mindestens drei Pferdestärken«, erläuterte der Forscher. »Außerdem ist er leichter. Ich fürchte, wir werden um eine bewaffnete Auseinandersetzung nicht herumkommen.«
    »Das kann nicht dein Ernst sein, oder, Onkel?« Charlotte sah ihn entgeistert an. »Was ist mit den Passanten? Viele davon sind Kinder.«
    Sie hatte recht. Der Kai entlang der Seine war gesäumt mit Spaziergängern, die sie mit großen Augen anstarrten. Ein solch ungleiches Wettrennen hatte wohl noch niemand gesehen.
    Humboldt schob sein Kinn vor. »Irgendetwas müssen wir unternehmen. Der Kerl gewinnt mit jeder Minute an Boden.«
    »Dieser Motorwagen …«, sagte Oskar. »Wie funktioniert er genau?«
    »Durch Verbrennung eines bestimmten Treibstoffes, eines leichtflüchtigen Öls, das man Benzin nennt. Ziemlich gefährliches Zeug, das leicht Feuer fängt. Man erhält es, indem man …« Er verstummte. Ein Leuchten huschte über sein Gesicht. »Oskar, du bist ein Genie. Pierre, halt den Wagen an!«
    Der Fahrer sah ihn verwirrt an. »Ich soll was?«
    »Die Kutsche stoppen. Ich kann bei dem Geholper nicht schießen.«
    »Sie wollen ihn umbringen?«
    »Wer hat etwas von umbringen gesagt? Ich will ihn nur stoppen. Los jetzt: Kutsche anhalten!«
    Pierre zog an den Zügeln und stoppte ihr Fahrzeug. Mit wehendem Mantel sprang Humboldt von der Kutsche, legte die Armbrust auf die Gepäckablage und visierte sein Ziel durch das Präzisionsfernrohr an. Der Motorwagen kam näher. Oskar konnte bereits das grimmige Lächeln auf dem Gesicht ihres Verfolgers erkennen. Humboldt zog den Abzug durch. Es gab ein Zischen, gefolgt von einem metallischen Scheppern. Die Motorkutsche näherte sich weiter. Der Fremde war unversehrt.
    »Verdammt«, sagte Oskar. »Nicht getroffen.«
    Ihr Verfolger war mittlerweile auf fünfzig Meter herangekommen.
    »Los, Pierre.« Humboldt schwang sich wieder in die Kutsche. »Machen wir, dass wir von hier verschwinden.«
    »Monsieur?«
    »Sie sollen fahren, los!«
    Pierre ließ die Peitsche knallen. Der Motorwagen war inzwischen auf zwanzig Meter herangekommen. Oskar sah, wie der Fremde seine Waffe zog und anlegte. Er schien gerade abdrücken zu wollen, als sein Fahrzeug aus unerfindlichen Gründen langsamer wurde. Rauch drang aus dem Motor. Dunkle Schwaden stiegen in die Luft und verdunkelten den Himmel. Ein Zischen und Knistern, als würde man

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