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Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon

Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon

Titel: Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Norwegers blieb an dem Pferd hängen. Ein Araber mit dunkelbraunem Fell und einer pechschwarzen Mähne. Kleiner Kopf mit breiter Stirn, großen, tief liegenden Augen und großen, sich trichterförmig öffnenden Nüstern. Ein edles Pferd, ausdauernd und schnell.
    Der Gendarm plusterte sich auf. »Repondez!«
    Der Norweger ließ sein Gewehr nach oben sausen. Mit einem dumpfen Krachen prallte der Holzschaft gegen das Kinn des Mannes. Es ging so schnell, dass der Gendarm keine Chance hatte zu reagieren. Seine Augen wurden immer größer, dann fiel er aus seinem Sattel.
    Der Norweger hängte in aller Seelenruhe sein Gewehr und die Umhängetasche über die Schulter, erklomm den Hengst und schob seine Füße in die Steigbügel. Er hatte ein Reittier und er hatte ein Ziel. Über mehr brauchte er sich im Moment nicht den Kopf zerbrechen. Er schnalzte mit der Zunge, trat dem Pferd in die Flanken und galoppierte davon.

 
20
     
     
    Athen, einige Stunden später …
     
    Die Augen des alten Mannes waren auf ein Blatt Papier gerichtet. Die Nachricht, die er vorhin per Fernschreiber aus Paris erhalten hatte, war nicht gerade dazu angetan, seinen hohen Blutdruck zu senken. Noch einmal überflog er die Zeilen und noch immer konnte er nicht glauben, was da zu lesen stand. Nicht nur, dass Humboldt und seine Entourage zum zweiten Mal entkommen waren – nein – wie es schien, war es dabei zu einem regelrechten Volksauflauf gekommen. Was hatte dieser Idiot sich nur dabei gedacht, mitten auf einem belebten Boulevard ein Wettrennen nebst anschließender Straßenschlacht zu veranstalten? Das widersprach ganz und gar den Statuten, die sie miteinander ausgehandelt hatten. Präzision und Diskretion, das waren die Eckpfeiler ihres Vertrages. Keine Spuren hinterlassen, so lautete ihre Abmachung.
    Stattdessen war ihm jetzt die halbe Pariser Gendarmerie auf den Fersen. Fieberhaft wurde nach dem groß gewachsenen, blassen Mann Anfang vierzig gefahndet, der unverfroren einen Gendarmen getötet und dessen Pferd gestohlen hatte. Dutzende Passanten waren Augenzeugen des kaltblütigen Mordes gewesen.
    Der alte Mann konnte nur darauf hoffen, dass der Norweger klug genug war, seine Spuren zu verwischen, sonst würde es eine Katastrophe geben.
    Wütend zerriss er das Papier und warf es in den Mülleimer. Zum ersten Mal hatte er das Gefühl, einen Fehler begangen zu haben. Mit sorgenzerfurchter Miene trat er an das geöffnete Fenster. Die Akropolis sah heute wieder besonders schön aus. Das Licht der untergehenden Sonne warf rosige Schatten auf die Säulen, unter denen vor zweitausend Jahren die weisesten und gelehrtesten Männer seines Landes gewandelt waren. Was würden sie wohl sagen, wenn sie ihn jetzt so sähen? Würden sie ihn drängen, den Plan aufzugeben, oder würden sie ihm raten weiterzumachen? Würden sie gutheißen, was er tat, oder ihn verdammen? Schon oft hatte er sich an seine Vorväter gewandt, wenn er Rat und Trost suchte, und immer hatten sie ihm geantwortet. Aber nicht heute.
    Heute schwiegen ihre Geister.
    Er hörte, wie es zaghaft an die Tür klopfte.
    »Ja?«
    Der Kopf seines Dieners erschien. »Er ist jetzt da, Euer Exzellenz.«
    »Soll reinkommen.«
     

     
    Stavros Nikomedes beschlich ein ungutes Gefühl, als er das Arbeitszimmer seines Großvaters betrat. Archytas Nikomedes war der Patriarch des Nikomedes-Imperiums. Eine ehrwürdige graue Eminenz, von der es hieß, seine Gesundheit sei äußerst angeschlagen. Er musste in halbverdunkelten Räumen leben und durfte das Haus nicht verlassen. Eine Reihe von Herzinfarkten und Schlaganfällen hätten ihm schwer zugesetzt, hieß es. Trotzdem hielt ihn das nicht davon ab, die Geschicke der Firma selbst zu leiten. Sogar mit fünfundachtzig hielt er die Fäden immer noch fest in der Hand.
    Er empfing fast nie Besucher.
    Selbst im Familienkreis ließ er sich kaum blicken, was zu dem Gerücht geführt hatte, der alte Mann sei nicht mehr ganz richtig im Kopf. Doch bisher hatte er sich nichts zuschulden kommen lassen. Wenn er einen von ihnen zu sich rief, dann nur bei schwerwiegenden Entscheidungen.
    Stavros betrat das Halbdunkel des riesigen Raumes, ging einige Schritte vorwärts und blieb dann stehen. Der Geruch nach Staub und alten Büchern drang ihm in die Nase. Er hatte seinen Großvater seit drei Jahren nicht mehr zu Gesicht bekommen. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals.
    »Tritt näher, mein Junge«, krächzte eine Stimme.
    Stavros bemerkte rechts vom Fenster eine bucklige kleine

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