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Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon

Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon

Titel: Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Männer auffielen, die über einen Tisch gebeugt Pläne studierten. Der eine war ein hochgewachsener Kerl mit grau meliertem Haar und buschigem Bart. Er trug ein Monokel und zwinkerte alle paar Sekunden. Gestützt auf seinen Gehstock humpelte er von einem Tischende zum anderen. Der andere war das genaue Gegenteil: etwa eins fünfzig groß und spindeldürr. Sein Kopf war haarlos, sah man mal von einem Büschel schwarzen Flaums ab, der auf seinem Hinterkopf senkrecht in die Höhe stand. Auf seiner Nase thronte eine Brille, deren Gläser so dick wie die Böden von Schnapsgläsern waren. Ein knappes Schnurrbärtchen zierte seine Oberlippe. Das Komischste aber war seine Kleidung. Er trug eine goldbetresste Weste, eine schwarze Hose mit roten Streifen sowie Kürassierstiefel, die so stark glänzten, dass man sich darin spiegeln konnte. Auch seine Haltung wirkte irgendwie militärisch. Kein Zweifel: Das musste Hippolyte Rimbault sein. Breitbeinig, das zackige Schnauzbärtchen erhoben und die Brust aufgebläht, richtete er seine stechenden Augen auf sie. »Qui êtes-vous et que voulez-vous?«
    »Sprechen Sie Deutsch?«
    »Wer will das wissen?« Rimbault sprach mit deutlichem Akzent, war aber gut zu verstehen.
    »Mein Name ist Humboldt. Carl Friedrich von Humboldt. Ich würde gerne ein paar Augenblicke Ihrer wertvollen Zeit in Anspruch nehmen. Ich habe hier ein Empfehlungsschreiben Ihres Freundes und Kollegen Nikola Tesla bei mir.«
    »Nikola? Vraiment? C’est merveilleux.« Die Augen hinter den Brillengläsern wurden groß wie Murmeln. Während Rimbault den Brief las, betrachtete Oskar den anderen Mann aus dem Augenwinkel. Er konnte sich nicht helfen, irgendwie kam ihm der Kerl bekannt vor.
    »Sprechen Sie auch Deutsch?«, fragte er zaghaft.
    »Ein bisschen«, lautete die Antwort. »Isch habe vor Jahren gelernt, aber isch weiß nicht viele Worte.«
    »Sind Sie auch Erfinder?« Oskar ließ nicht locker. Er wollte wissen, woher er den Mann kannte.
    »So wie Hippolyte? Oh nein.« Um seine Augen erschienen Lachfältchen. »Isch arbeite an der Börse und als Gemeinderat. Isch lasse mir gerade eine Yacht bauen. Deshalb bin isch ’ier.«
    Oskar blickte auf die Konstruktionszeichnung. Das Dampfschiff war wunderschön. Lang, schnell, schnittig. Und es trug den Namen Scotia. Den Namen des Schiffes, das als Erstes von Kapitän Nemos Unterseeboot angegriffen wurde. Lächelnd tippte er auf den Plan. »Haben Sie das Buch gelesen?«
    »Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer?« Der buschige Bart wippte vergnügt. »Kann man so sagen, oui.«
    »Fabelhaftes Buch, oder? Mit das schönste Werk von Verne nach Fünf Wochen im Ballon, Die Reise zum Mittelpunkt der Erde und Die geheimnisvolle Insel.« Oskar war begeistert, einen Freund von Abenteuerliteratur gefunden zu haben. »Passen Sie bloß gut auf, dass Ihrem Schiff nicht das gleiche Schicksal blüht wie der Scotia. Wäre doch schade.«
    Der Mann lachte herzlich und klopfte Oskar auf den Rücken. »Hippolyte, isch muss gehen. Wir bleiben in Kontakt. Au revoir.« Er lupfte seinen Helm, deutete eine Verbeugung an und verließ humpelnd die Werkhalle.
    »Netter Kerl«, sagte Oskar. »Und ein Freund von guter Abenteuerliteratur. Stellt euch vor, er kennt sogar den Roman Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer.«
    Rimbault warf Oskar einen scharfen Blick über den Rand seiner Brille zu. »Kennen? Er hat das Buch geschrieben.«
    Oskar klappte die Kinnlade runter. »Wollen Sie etwa sagen, das war …«
    »Monsieur Jules Gabriel Verne, ganz recht. Ich baue gerade ein neues Schiff für ihn.«
    »Aber das ist doch …«
    Oskar war wie vor den Kopf geschlagen. Aber natürlich. Daher also dieses seltsame Gefühl, als würde er ihn kennen. Er hatte mal vor langen Zeiten ein Bild von ihm in einem Buch gesehen. Doch das Bild stimmte nicht mehr. Der Schriftsteller war mit der Zeit merklich gealtert. »Aber was sollte dann die Bemerkung, er sei Börsianer und Gemeinderatmitglied?«
    »Weil das sein derzeitiges Betätigungsfeld ist. Nach In achtzig Tagen um die Welt hat er nichts mehr geschrieben. Aber zurück zu diesem Empfehlungsschreiben. Nikola Tesla schreibt, Sie wären daran interessiert, mein Schiff für eine Expedition ins Mittelmeer zu chartern?«
    »Ganz recht.«
    »Im Prinzip ist das machbar, aber es wird nicht ganz billig.«
    Humboldt nickte. »Darüber bin ich mir im Klaren. Trotzdem ist es unerlässlich. Mein Auftraggeber wird das verstehen.«
    »Hm.« Der kleine Mann fiel in Schweigen. Nach einer

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