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Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon

Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon

Titel: Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Schiff bekommen würde. Doch auch das Problem war leicht zu lösen gewesen. Als sich herumsprach, zu was für einer Fahrt sie aufbrechen würden, verließen die Seeleute die Calypso wie die Ratten das sinkende Schiff. Niemand hatte Lust, einem Seeungeheuer gegenüberzutreten. Erst recht keinem, das in der Lage war, ganze Schiffe unter Wasser zu ziehen. Am Ende waren nur noch eine Handvoll hartgesottener Kerle übrig geblieben, denen es nichts ausmachte, dass sie einander nicht kannten.
    Der Norweger steckte die Giftpfeile in den Köcher an seinem Gürtel, schob das Blasrohr daneben, setzte sich in seinen Lehnstuhl und wartete.
     

     
    Etwa zwei Stunden später – es mochte so auf dreiundzwanzig Uhr zugehen – hörte er, wie das Steamaggregat angeworfen wurde. Die Zeit war gekommen.
    Er verließ seinen Lehnstuhl, vergewisserte sich, dass er nichts vergessen hatte, und ging an Deck.
    Wie erwartet, war nur der engste Kreis auf den Beinen. Mannschaft, Deckpersonal und Leichtmatrosen waren unter Deck geblieben, soffen, spielten Karten oder hatten sich schlafen gelegt. Mittlerweile hatte es so viele Tauchversuche gegeben, dass ihnen niemand mehr Interesse schenkte. Zwei Mann auf der Brücke, einer im Maschinenraum und einer, um den Dampfkran zu betätigen – das war alles.
    Der Norweger machte einen kleinen Kontrollgang über Deck. Er überprüfte, ob er niemanden übersehen hatte, dann schlenderte er zu François hinüber. Der Kranführer, der für die Wasserung der Nautilus zuständig war, stammte aus der Provence. Ein dicker Mann mit gesträubtem Backenbart, einem hochroten Gesicht und einem Kopf wie eine Boulekugel. Seine Vorliebe für Kaninchen- und Wildschweinragouts hatten bei ihm deutliche Spuren hinterlassen.
    »’n Abend, François. Alles klar bei dir?«
    Der Dicke drehte seinen Kopf und hob erstaunt die Augenbrauen. »Du bist noch auf?«
    »Konnte nicht schlafen«, erwiderte der Norweger. »Ist einfach zu heiß.«
    Der Dicke nickte. »Man hat das Gefühl, in einem Kohleofen zu stecken, nicht wahr? Meist dauert es bis Mitternacht, bis es sich so weit abgekühlt hat, dass man einschlafen kann. Ich freue mich schon, wenn das hier endlich vorbei ist.«
    »Was läuft denn hier?«
    »Der Boche hat sich in den Kopf gesetzt, nachts zu tauchen«, erwiderte der Provenzale. »Keine Ahnung, was das bringen soll, ist mir aber auch egal. Solange die Kohle stimmt, stelle ich keine Fragen.«
    »Wer geht diesmal mit?«
    »Rimbault, seine Tochter und der Junge.« Er stieß ein raues Lachen aus. »Eine ganz schöne Zirkustruppe, was? Und so was nennt sich Wissenschaftler.«
    »Du sagst es«, stimmte der Norweger zu. »Man schaue sich nur mal die dunkelhäutige Frau und das Mädchen an. Was für ein Vogel ist das eigentlich, den sie da die ganze Zeit auf dem Arm trägt?«
    »Ich glaube, ein Kiwi. Irgend so ’n Viech aus Neuseeland.« Er spuckte seitlich über Bord.
    Der Norweger nickte. »Hat der ’nen Rucksack auf?«
    »Ich glaub schon. So ’n Tornister mit ’ner Antenne dran. Ich sag dir, dieser Humboldt hat nicht alle Tassen im Schrank. Hast du den Chinesenzopf gesehen?«
    »Die Deutschen sind wirklich ein wunderliches Völkchen«, sagte der Norweger. »Aber bei diesem Kaiser wundert mich nichts mehr.«
    »Pickelhaube, Zwirbelbart und Lackstiefel«, lachte der Kranführer. »Was willst du da noch erwarten? Aber Ruhe jetzt, ich glaube, es geht los!«
    Die vier Forscher waren die Eisentreppe hinauf zur Luke geklettert, um in die Kugel einzusteigen. Einer nach dem anderen verschwand in der Öffnung, dann klappte die Luke zu. Im Inneren der Kugel ging das Licht an. Ein fahler grünlicher Schein drang durch die Fenster. Der Norweger konnte sehen, wie die Insassen sich auf ihre Plätze begaben.
    »François, faites descendre le bathysphère à l’eau!«, ertönte eine blecherne Stimme aus dem Lautsprecher. »Mais doucement.«
    Der Provenzale drückte einige Knöpfe, dann betätigte er einen Hebel. Grollend erwachte das Steamaggregat zum Leben. Dampfwolken stiegen aus dem Schornstein. Der Boden vibrierte. Der lange Hebearm quietschte, als das Stahlseil sich zu straffen begann. Der Eisengreifer umfasste den Haltebügel und hob die Kugel an. Zentimeter um Zentimeter stieg sie in die Höhe. Dann schwenkte der Kran nach rechts und hievte das tonnenschwere Gefährt über Bord. Ein Moment der Ruhe, dann legte der Provenzale einen Hebel um.
    Mit einem Klatschen schlug die Bathysphäre im Wasser auf und begann sofort unterzugehen.

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