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Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Titel: Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Erschrocken blickte er den Jungen an.
    »Großer Gott, Oskar. Was ist mit dir?«
    »Ich … weiß … nicht. Es … begann … in … Berlin.« Oskars Stimme war kaum noch wiederzuerkennen. »Der Kampf … die Infektion.«
    Humboldt riss die Augen auf. »Bellheim?«
    Der Junge nickte. Jede Bewegung schien ihm Schmerzen zu bereiten. »Es … war … ein … Splitter.«
    »Aber warum hast du uns denn nichts erzählt?«
    Oskar blickte zu Boden. »Ich … ich habe … mich geschämt.«
    Humboldt spürte, wie eine Woge von Angst und schlechtem Gewissen über ihm zusammenschlug. Er ergriff Oskars Hand und hielt den Arm gegen das Licht. Der Arm des Jungen war halb durchsichtig, so wie die Körper bestimmter Fischarten Südostasiens. An manchen Stellen konnte man sogar die Knochen und Blutgefäße sehen. Es war furchtbar, wie weit die Krankheit sich schon ausgebreitet hatte.
    »Ich verstehe das nicht«, flüsterte er. »Die Missionare müssen das doch gesehen haben. Sie haben dich untersucht.«
    »Sie … haben … es … gesehen«, erwiderte Oskar. »Das war … der Grund … warum sie … nichts gesagt haben.«
    Humboldt schluckte den Kloß in seinem Hals hinunter. Eines war mal sicher: Als Vater hatte er noch viel zu lernen.
    Er nahm Oskar in den Arm und wiegte ihn sanft hin und her. »Es wird alles gut werden, mein Junge.«
    Harry war zur Tür geeilt und polterte laut dagegen.
    »O’Neill, machen Sie die Tür auf, schnell! Ein Notfall! Der Junge braucht Hilfe. Kommen Sie schon, öffnen Sie die Tür!«
    Nichts geschah.
     

     
    Patrick O’Neill warf sorgenvolle Blicke in Richtung Tempel. Soweit er von hier aus sehen konnte, schienen die Dinge schlecht zu laufen. Der Kran war zusammengebrochen und von Archer fehlte jede Spur. Alle schwärmten durcheinander wie in einem Ameisenhaufen, in den man einen Stock geworfen hatte. Er hätte zu gern erfahren, was da vor sich ging, aber ihn schien man vergessen zu haben. Als Laufbursche und Gefangenenwärter war er gut genug, aber wenn es um die wirklich wichtigen Dinge ging, ließ man ihn außen vor.
    Dabei hatte er so gehofft, dass Sir Wilson ihn auf dieser Reise mal mit wichtigen Aufgaben betrauen würde. Aber er war wieder nur der Handlanger.
    Fairerweise musste Patrick zugeben, dass seine Loyalität seinem Herrn gegenüber in letzter Zeit erheblich gelitten hatte. Sir Wilson hatte Dreck am Stecken, so viel war klar. Er hatte gelogen, betrogen und seine Macht gnadenlos gegen andere eingesetzt. Immer mit dem Argument, es geschehe ja ausschließlich zum Wohl der Wissenschaft. Doch mittlerweile hatte Patrick daran seine Zweifel. Der Angriff auf die Dogon war ein Akt barbarischer und willkürlicher Gewalt und durch nichts zu entschuldigen. Auch die Art, wie Wilson die Dokumente erhalten hatte, war höchst dubios. Hatte er den französischen Astronomen wirklich in Notwehr erschlagen?
    In diesem Moment rumpelte und klopfte es von hinten.
    »O’Neill, machen Sie die Tür auf, schnell! Ein Notfall! Der Junge braucht Hilfe.«
    Es war Harry Boswell, der Fotograf. Erst als es zum zweiten Mal rumpelte und polterte, stand Patrick auf.
    »Was ist denn los? Was soll das Geschrei?«
    »Sie müssen uns rauslassen«, drängelte Boswell. »Dem Jungen geht es schlecht.«
    »Was ist denn mit ihm?«
    »Das wissen wir nicht genau. Irgendetwas mit seinem Arm. Wir brauchen Hilfe. Sofort!«
    Patrick zögerte. Das roch förmlich nach einer Falle.
    Er schüttelte den Kopf. »Sorry, das kann ich nicht tun«, sagte er. »Ich bin hier ganz allein. Ohne zusätzlichen Wachschutz darf ich die Tür nicht öffnen.«
    »Dann holen Sie jemanden, in Gottes Namen. Holen Sie, so viel Sie brauchen, aber beeilen Sie sich!«
    Irgendetwas in der Stimme des Fotografen sagte Patrick, dass es ernst war. Er zögerte. »Na gut«, sagte er. »Ich werde Verstärkung holen. Aber bitte versprechen Sie mir, dass Sie solange keine Dummheiten machen. Wilson wird Sie sofort erschießen lassen, sollten Sie fliehen.«
    »Ja, ja, versprochen«, erklang es von drinnen. »Allein bekommen wir die Tür sowieso nicht auf. Und jetzt beeilen Sie sich, um Gottes willen!«
    »Hoffentlich werde ich das nicht wieder bereuen«, murmelte Patrick, als er in Richtung Tempel rannte.

 
54
     
     
    Sir Jabez Wilson tobte vor Zorn. Archer – tot. Sein Kran – zerstört. Sein ganzer Plan hatte sich in Luft aufgelöst. Und alles, weil dieses Ding aus einer anderen Welt offenbar nicht damit einverstanden war, aus seinem Bett im Zentrum dieses Tempels

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