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Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Titel: Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Blätter und Zweige wurden davongerissen. Eine Woge heißer Luft schlug über ihn hinweg, fegte Sand in die Höhe und ließ ihn halb erstickt nach Atem ringen. Dann regnete es Geschosse vom Himmel. Patrick presste seinen Körper noch dichter an die Felswand, als die Einschläge rings um ihn herum zu Boden gingen. Die Brocken waren teilweise faustgroß. Sie hätten ihm locker das Lebenslicht ausgepustet, wenn sie ihn am Kopf getroffen hätten. Ein paar Sekunden lang hielt das Inferno noch an, dann wurde es ruhig. Stille senkte sich über die Stadt. Nur das leise Rauschen des Regens war zu hören. Patrick sah sich um. Einer nach dem anderen wagten sich die Männer aus ihren Verstecken. Patrick spürte, wie seine Beine zitterten. Sein Hemd war nass geschwitzt, oder war das der Regen? Er ging ein paar Meter und schaute in Richtung Tempel. Was er sah, verschlug ihm den Atem. Er musste ein paarmal blinzeln, um sich zu vergewissern, dass er keinem Irrtum unterlag.
    Das Gebäude war verschwunden. Weg, futsch, ausradiert, als hätte dort nie etwas gestanden. Stattdessen stieg eine Rauchwolke in den Himmel. Vor dem Hintergrund der Gewitterwolken wirkte sie dunkel und Unheil verkündend. Der Boden rund um den Stufenhügel war übersät mit Gesteinsbrocken und Holzstücken. Ein paar Meter weiter lagen entwurzelte Bäume, deren Rinde schwarz angelaufen war. Der Geruch von Staub und Feuer hing in der Luft.
    Jabez Wilson schien selbst überrascht von der Wucht der Explosion. Ein Ausdruck ungläubigen Staunens zeichnete sich in seinem Gesicht ab, dann schritt er die Stätte der Verwüstung ab. »Meine Güte«, sagte er, als er zwischen den Trümmern umherging. »Das war aber ein mächtiger Rums. Hätte ich gewusst, wie effektiv diese Stangen sind, hätte ich vielleicht weniger davon genommen. Andererseits …«, er blickte zufrieden in die Runde, »… ist genau das geschehen, was ich gehofft hatte. Seht her.« Er deutete auf ein Bruchstück des seltsamen Meteoriten.
    Zögernd setzte Patrick seinen Fuß in das Trümmerfeld. Ihm war nicht wohl bei dem Gedanken, dass hier überall Stücke des Meteoriten herumlagen. Er blieb stehen. Da war noch eines. Etwa so groß wie eine Zündholzschachtel lag es da und schimmerte in matten Grüntönen. Plötzlich sah er sie überall. Wilson schaute zu ihm hinüber und lächelte. »Was ist los, Patrick? Schiss?«
    »Um ehrlich zu sein: ja. Hier ist noch eines.«
    Wilson nahm seine Handschuhe aus der Tasche, streifte sie über und holte dann sein Zigarrenetui heraus. Er beugte sich vor und griff nach dem Splitter.
    Patrick war wie versteinert. »Sind … sind Sie sicher, dass das Ding ungefährlich ist?«
    »Sicher ist das falsche Wort. Aber ich erinnere mich an das, was der deutsche Forscher gesagt hat: Metall können die Dinger nichts anhaben.« Er klappte den Deckel zu. Das Schloss rastete mit einem gut hörbaren Klicken ein. »Sehen Sie? Jetzt ist er hinter Schloss und Riegel.« Er steckte die Dose in seine Tasche und blickte seine Männer an, die völlig verdutzt um ihn herumstanden. »Was ist los, Leute? Holt alle verschließbaren Metallschachteln, die ihr auftreibt. Pistolenkoffer, Munitionsschachteln, Zigarettenetuis, Butterbrotdosen und Feldflaschen – was ihr findet. Und dann sammelt die Bruchstücke ein. Seid vorsichtig, zieht Handschuhe an und achtet darauf, dass ihr sie nicht mit bloßer Haut berührt. Die Explosion hat den Stein zwar geschwächt, ungefährlich ist er deswegen noch lange nicht.«

 
56
     
     
    »Großer Gott, seht euch den Jungen an.«
    Humboldt fuhr herum. Oskars Körper wurde von Krämpfen geschüttelt. Sein Gesicht war aschfahl. Arme und Beine sahen aus wie bei einer Wachsfigur, die zu nah am Feuer stand. Sie veränderten sich, schmolzen. Seine Haut wellte und kräuselte sich, als bestünde sie aus Wasser. Schultern, Arme, Hände schienen in ihren Proportionen zu schrumpfen, während die Beine immer länger wurden. Schon waren die Hosen viel zur kurz. Die Schuhe fielen ab wie reife Äpfel.
    Humboldt überlegte kurz, ob er die Veränderung irgendwie aufhalten könne, verwarf den Gedanken aber sofort wieder. Die Transformation war schon viel zu weit fortgeschritten.
    Sie waren während der letzten Minuten alle abgelenkt gewesen. Seit der Explosion und der darauffolgenden Aufregung unten im Lager hatte niemand mehr auf Oskar geachtet. Der fremde Organismus musste mit ungeheurer Schnelligkeit von seinem Körper Besitz ergriffen haben.
    Oskar veränderte sich immer

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