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Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Titel: Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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bringen.

 
55
     
     
    »Du kannst hier nicht durch. Der Chef will gerade sprengen.« Die drei Männer mit einer Holzkiste versperrten ihm den Weg.
    »Er will was?« Patricks Blick wanderte von dem Brandzeichen mit der Aufschrift »Nobels Extradynamit« über die Gesichter der besorgt dreinblickenden Männer bis hin zum obersten Treppenabsatz des Tempels. Sir Wilson stand vor der Tür, in der Hand etwas, das wie eine überdimensionierte Angelrute aussah. Wo war Archer? Was war mit dem Kran geschehen?
    »Ich muss mit ihm reden, unbedingt.«
    Er duckte sich unter Ruperts gewaltigen Armen durch und lief los. »Es geht um die Gefangenen!«, rief er über die Schulter zurück.
    »He, halt!« Der Vorarbeiter stapfte hinter ihm her, aber er war zu langsam. Patrick war bereits auf dem obersten Absatz angekommen, als Wilson sich umdrehte.
    »Sorry, Chef!«, rief Rupert von unten herauf. »Ich habe ihm gesagt, Sie wollten nicht gestört werden, aber er wollte einfach nicht hören.«
    »Schon gut, Rupert«, sagte Wilson. »Gehen Sie ruhig zu den anderen zurück, ich regle das hier. Was gibt es, Patrick?«
    »Die Gefangenen, Sir …« Patrick keuchte wie ein Blasebalg. »Boswell behauptet, dem Jungen gehe es sehr schlecht. Ich wollte Sie fragen, ob ich mir ein paar Männer schnappen und nachsehen darf.«
    Wilson blickte skeptisch. »Glaubst du ihnen?«
    »Ja, Sir. Er klang sehr überzeugend. Der Junge sah tatsächlich nicht so gut aus, als wir ihn einsperrten.«
    Wilson versank einen Moment in Gedanken, dann schüttelte er den Kopf. »Vielleicht nachher. Jetzt haben wir Dringenderes zu erledigen. Es ist übrigens gut, dass du hier bist. Du kannst mir helfen.«
    Patrick zog seine Brauen zusammen. »Was haben Sie vor, Sir? Wo ist Archer?«
    »Archer? Dann weißt du es noch gar nicht?« Wilsons Auge schimmerte Unheil verkündend. »Jonathan ist tot. Er starb, als er den Kristall bergen wollte. Hier, halt mal.« Er drückte Patrick seine Umhängetasche in die Hand.
    »Tot?« Die Nachricht traf ihn wie ein Schock. »Aber … wie … wie konnte das geschehen?«
    »Keine Zeit für Erklärungen.« Wilson deutete nach oben. »Wir müssen sprengen, ehe der Regen einsetzt. Ich werde dir nachher alles erzählen.« Er zündete sein Patentfeuerzeug und hielt die Flamme an die Lunte. Es gab ein Sprühen und Zischen, dann brannte die Zündschnur. Weißer Qualm stieg auf. Wilson nahm den Stab, trat an die geöffnete Tür und hielt ihn hinein. »Komm hinter mich und fass mit an. Das Ding ist ziemlich schwer.« Wilsons Gesicht zeigte einen Ausdruck höchster Konzentration. Er nahm Maß, schätzte die Entfernung ab und ließ den Stab im richtigen Moment los. Das Dynamit kam genau auf dem Meteoriten zum Liegen. Patrick schaute wie gebannt zu, als Wilson das Seil losließ und den Stab herauszog. Die Lunten brannten immer noch.
    »Jetzt nichts wie weg!«, sagte Wilson. Er klopfte Patrick auf den Rücken und eilte die Treppen hinunter. Patrick blieb noch einen Augenblick stehen. Der Sand rund um den Meteoriten war in Bewegung geraten. Wellen und Wogen waren zu sehen, als ob sich etwas Lebendiges darunterbefände. Irrte er sich oder kamen da gläserne Hände aus den Tiefen?
    »O’Neill!«
    Patrick riss sich von dem Anblick los und rannte hinter seinem Herrn her. Etwa fünfzig Meter vom Tempel entfernt ragte ein mächtiger Findling in die Höhe. Auf ihm wuchs ein schmächtiger Baum, der trotz der anhaltenden Trockenheit eine Menge grüner Blätter trug. Dort verschanzten sich die beiden Männer und warteten auf die Explosion.
     

     
    Ein ohrenbetäubender Knall zerriss die Stille. Ein Krachen und Donnern wie von tausend Blitzschlägen. Oskar spürte, wie die Hütte unter dem Schlag erbebte. Staub rieselte vom Dach. Ein furchtbarer Wind drückte gegen die Tür, pfiff durch die Ritzen und wehte Sand herein, sodass Oskar seinen Ärmel vor die Nase halten musste. Humboldt sprang auf und eilte zur Tür. Sein Auge an die Ritze gepresst, blickte er nach draußen.
    »Beim Jupiter«, murmelte er, nachdem sich der Staub gelegt hatte. »Sind diese Idioten noch ganz dicht? Sie haben den Tempel gesprengt. Das ganze Gebäude ist in die Luft geflogen. Kommt her und seht euch das an.«
    Alle stürmten nach vorn. Alle, bis auf Oskar. Er blickte nach oben. Auf dem Dach trommelte der Regen.
     

     
    Von der Oberseite der Felswand prasselten Steine in die Tiefe.
    Der Baum über Patricks Kopf wurde von einer stürmischen Böe erfasst und bog sich unter der Druckwelle.

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