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Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Titel: Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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war es geschafft. Er riss den Verband runter und spürte die warme Luft auf seiner Haut. Der Geruch war weniger angenehm. Es stank wie in einer Kloake.
    Oskar holte ein paarmal tief Luft, dann wagte er einen Blick nach unten. Die Haut war dunkel verfärbt und glänzte seltsam. Ob das eine Folge des Schwitzens war, konnte er nicht genau sagen, dafür war das Licht zu schlecht. Unter der kleinen Deckenöffnung war es besser. Der schmale Streifen Tageslicht musste ausreichen.
    Er streckte seinen Arm aus und hielt ihn ins Licht.
    Was er sah, ließ ihn vor Entsetzen aufschreien.
     

     
    Sir Wilson taumelte zurück. Die elektrische Entladung tanzte als dunkler Schatten vor seinem Auge. Ein blauweißer Fühler war emporgezuckt und hatte Archer mitten in die Stirn getroffen. Ein Knistern war zu hören gewesen, dann bäumte sich der Körper seines Adjutanten auf. Das Licht floss durch ihn hindurch und trat an den Schuhen wieder aus. Blaue Flammen zuckten über seinen Körper, sausten an dem Seil empor und entluden sich mit einem mörderischen Knall. Funken regneten herab. Das Seil schmorte durch und ließ den schlaffen Körper seines Freundes und Weggefährten mit dumpfem Geräusch zu Boden fallen. Dann brach der Kran entzwei. Rund um Archer prasselten die Überreste in den Sand.
    Sir Wilson sah all das mit fassungslosem Grauen. Aus einem Reflex heraus wollte er in den Tempel rennen, um Archer zu helfen, doch dann fiel ihm ein, dass dies ein tödlicher Fehler sein konnte. Schnell zog er seinen Fuß zurück. Keinen Moment zu früh. Schon liefen Wellen über die Oberfläche, die aussahen, als habe man einen Stein ins Wasser geworfen. Sein Freund lag unter den Trümmern des Krans im Sand, während rund um ihn herum alles in Bewegung geriet. Wellen feinster Kristalle schlugen hoch und begruben die Winde, die Holzteile und auch den Körper Jonathan Archers unter sich. Es zischte und rauschte wie bei einem Wasserfall. Unheimliche Mengen von Sand bäumten sich auf, so als wäre darunter ein riesiges Bassin, das bis zum Rand gefüllt war. Die Luft wurde trüb wie bei einem Sandsturm, dann stieg ein beißender Gestank empor. Wilson musste seine Nase zuhalten, doch es roch so intensiv, dass ihm die Tränen in die Augen schossen.
    Die Angst packte Wilson. Dieser verdammte Stein! Er hätte auf seinen Instinkt hören und den Job von einem Gefangenen erledigen lassen sollen. Doch dafür war es jetzt zu spät.
    Der Spuk dauerte keine dreißig Sekunden, dann war alles vorbei. Der Sand wurde wieder glatt, die Wellen verebbten und der Nebel verschwand. Ein feiner Geruch nach Schwefel und Elektrizität hing in der Luft, das war alles. Keine Spur von dem Kran oder seinem Freund. Verschwunden, wie von Geisterhand.
    Der Meteoritenjäger fühlte, wie seine Beine zitterten.

 
53
     
     
    Humboldt spähte durch einen schmalen Spalt in der Tür. Irgendetwas Merkwürdiges ging da drüben beim Tempel vor. Es hatte Lichterscheinungen im Inneren gegeben, dann war ein Knistern zu hören gewesen. Für einen Moment hatte der Boden gezittert, doch jetzt war alles wieder ruhig. Humboldt sah Wilson, wie er die Treppe heruntertaumelte. Der Mann sah aus, als wäre er von einem Boxhieb ausgeknockt worden. Seine Männer liefen ihm entgegen und stützten ihn. Es dauerte jedoch nicht lange, da erlangte er die Kontrolle zurück und brüllte Befehle. Er gestikulierte wild in Richtung des Tempeldachs. Was war da drüben nur los?
    Wo war Archer? Humboldt fiel auf, dass er den Adjutanten schon länger nicht gesehen hatte. Er begann sich gerade zu fragen, was wohl aus dem eisenharten Veteranen geworden war, als plötzlich aus dem hinteren Teil der Hütte ein Schrei ertönte.
    Der Forscher wirbelte herum.
    Der Junge hatte sich das Hemd heruntergerissen und zitterte am ganzen Leib. Sein bleicher Oberkörper glänzte im schwachen Deckenlicht. Neben ihm lag ein Haufen Verbandszeug achtlos zusammengeworfen in der Ecke.
    »Schaut euch das an!« Max deutete auf Oskars Arm.
    Humboldt fühlte einen kalten Schauer, als er den Oberkörper des Jungen erblickte. Die Haut sah an einigen Stellen aus, als wäre sie verhornt, so wie bei einer Schlange. Nur dass es keine Schuppen, sondern eine Schicht feinen Glases war, die das Licht in vielfältiger Weise reflektierte. Die Veränderung begann knapp oberhalb des Handgelenks und breitete sich über den Ellenbogen und den Oberarm bis weit über die Schulter hinweg aus. Selbst Teile des Halses und der Brust waren schon befallen.

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