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Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Titel: Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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kam der Moment, vor dem Humboldt sie vor ihrer Abfahrt gewarnt hatte. Er trat in Form eines dicklichen Mannes mit Backenbart in Erscheinung, dessen Glatze im Schein der Kerzen rosa glänzte. Er hatte schon eine ganze Weile dem Wein zugesprochen und befand sich in einem Zustand, den man nur als schwer alkoholisiert bezeichnen konnte. Oskar kannte die Symptome: glänzende Augen, gerötete Wangen, großporige Nase, feuchte Unterlippe. Der Mann war gerade bei seinem sechsten oder siebten Glas angelangt, als er sich über den Tisch beugte und weithin hörbar sagte: »Ich hörte, Sie sind jetzt in der Dienstleistungsbranche, Herr Donhauser?« Schon wie er den Namen aussprach, zeugte von tiefer Geringschätzung.
    An den Plätzen wurde es schlagartig ruhig. Wie es schien, hatten alle auf diesen Augenblick gewartet.
    Humboldt unterbrach das Gespräch mit seiner Tischnachbarin und drehte den Kopf. Um seinen Mund spielte ein dünnes Haifischlächeln. »Ich fürchte, da sind Sie falsch informiert, Dekan Wallenberg.«
    »So?«
    »Ganz recht. Mein Name ist von Humboldt. Schon seit einer ganzen Weile. Alexander war mein Vater, aber vielleicht haben Sie das nicht mitbekommen. Die mathematische Fakultät war schon immer ein wenig langsam.«
    Vereinzelt erklang Gelächter.
    Wallenbergs gerötete Wangen wurden eine Spur dunkler.
    »Ich habe so etwas läuten hören«, erwiderte er mit Blick auf seine perfekt manikürten Hände. »Ich konnte nur nicht glauben, dass der alte Knabe mit achtzig noch ein gesundes Kind gezeugt haben soll.« Er kippte den letzten Rest Wein in seinen Schlund und ließ sich nachschenken. »Aber Alexander von Humboldt war eben ein großer Mann.«
    Oskar hielt den Atem an. Wallenberg schien nicht zu wissen, in welcher Gefahr er sich befand.
    Doch Humboldt blieb erstaunlich ruhig. Immer noch lächelnd sagte er: »Das war er in der Tat. Gegen ihn sind wir nur Eintagsfliegen. Und was Ihre Frage betrifft: Ja, ich biete meine Dienstleistungen Firmen oder Privatpersonen an, wenn diese ein ungewöhnliches Problem haben. Zwei Fälle konnten wir schon zur vollen Zufriedenheit aller Beteiligten lösen. Jetzt arbeiten wir wieder an einem neuen Fall. Wenn Sie ein Problem haben, ich stehe Ihnen gern zu Diensten.«
    »Nein, nein. Vielen Dank.« Wallenberg winkte ab. Sein Backenbart war gesträubt und beim Sprechen flogen kleine Speicheltropfen durch die Luft. »So weit kommt’s noch, dass ich meine Aufgaben von einer Gruppe Schausteller erledigen lasse. Ich finde es schon unerhört, dass uns zugemutet wird, am selben Tisch mit einer dunkelhäutigen …«
    Weiter kam er nicht. Er hatte sich halb aus seinem Sitz erhoben, als er unvermutet abbrach und mit großen Augen in die Runde starrte. Er sah aus, als hätte er eine Gräte verschluckt.
    »Herr Dekan?« Gertrud Bellheim blickte besorgt auf ihren Gast. »Geht es Ihnen nicht gut?«
    »Ich …« Wallenberg sank zurück. Er schien mitten im Satz vergessen zu haben, was er eigentlich sagen wollte.
    Oskar warf einen verborgenen Blick zu Eliza hinüber. Die Haitianerin hielt Wallenberg mit ihren geheimnisvollen dunklen Augen gefangen. Oskar sah, dass sie stumme Worte murmelte und dabei ganz unauffällig mit der Hand über ihr Amulett strich.
    Wallenberg setzte noch einmal an, doch dann schüttelte er verwirrt den Kopf. »Tja, es scheint, ich habe vergessen, was ich eigentlich sagen wollte.«
    »Sicher zu viel Wein«, sagte Humboldt. »Das ist gar nicht gut bei Ihrem hohen Blutdruck.«
    »Ja, vermutlich haben Sie recht.« Wallenberg ließ sich ein Glas Wasser einschenken und trank es gierig aus. »Schon viel besser«, sagte er. »Vielen Dank. Und falls ich eben irgendwie ausfallend geworden bin, so bitte ich das zu entschuldigen. Was ich eigentlich sagen wollte, war, dass ich Ihnen viel Glück bei Ihren Unternehmungen wünsche und dass Sie bald wieder in die Dienste unserer Universität treten mögen.«
    »Diesem Wunsch schließe ich mich von Herzen an«, sagte Frau Bellheim, sichtlich überrascht, dass das Gespräch eine so unerwartete Wendung genommen hatte. Wie alle am Tisch schien sie damit gerechnet zu haben, dass es gleich zu einer unangenehmen Auseinandersetzung kommen würde. »Mit Ihrer Erlaubnis würde ich die Tafel gern auflösen und Sie zu einem kleinen Punsch in den Salon bitten. Dort erwarten Sie Musik und Tanz.« Sie stand auf und klatschte in die Hände. Im Nu eilte das Dienstpersonal herbei, half den Gästen beim Aufstehen. Nicht wenige hatten schon sichtbare

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