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Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Titel: Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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er sich, dass niemand Verdacht geschöpft hatte. Dann begann er, systematisch die Schränke und Nachttische zu durchsuchen.
     

     
    »Wo steckt eigentlich Oskar? Es ist gleich Mitternacht.« Charlotte hielt ihre Tasse mit heißem Punsch umklammert und blickte ungeduldig in Richtung Haus. »Wenn er sich nicht beeilt, verpasst er das ganze Spektakel.«
    »Ich glaube, dem Jungen war etwas schwindelig nach den vielen Runden, die du auf dem Parkett mit ihm gedreht hast«, sagte Humboldt. »Lass ihm ein paar Minuten Zeit.«
    »Soll ich mal nach ihm sehen?«
    »Er kommt schon klar.«
    Charlotte warf einen Blick in Richtung Kirchturmuhr. Noch etwa zwei Minuten. Wenn er nicht bald kam, würde der große Moment ohne ihn verstreichen. Und dabei hatte sie sich so darauf gefreut, mit ihm anzustoßen. Ob er es wohl wagen würde, ihr einen Kuss zu geben …?
    Sie bemerkte, dass der Forscher sie aufmerksam beobachtete. In seinen Augen lag etwas, das sie innehalten ließ. »Ist irgendwas?«, fragte sie mit klopfendem Herzen.
    »Du magst Oskar sehr, habe ich recht?«
    Charlotte spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. »Natürlich«, entgegnete sie. »Er ist mein Cousin.«
    »Ganz genau.« Mehr sagte er nicht. Nur diese zwei Worte.
    Charlotte wich seinem Blick aus. Worauf wollte er hinaus? Glaubte er etwa, dass sie etwas für Oskar empfand? Unmöglich, sie wusste es doch selbst nicht genau.
    Sie wollte noch etwas erwidern, doch in diesem Augenblick fingen alle an zu zählen.
    »Fünf … vier … drei … zwei … eins …«
     

     
    Bunte Raketen brachten den Himmel über Berlin zum Leuchten. Funkenkaskaden überzogen den Himmel, gefolgt von ohrenbetäubenden Kanonenschlägen. Es prasselte und knatterte, dann stiegen weitere Raketen in den Himmel. Über das Knallen hinweg setzte das Läuten der Glocken ein. Hochrufe und Gelächter vermischten sich mit dem Knistern und Dröhnen von Schwärmern und Böllern.
    Es war Neujahr.
    Oskar presste die Lippen aufeinander. Er hatte das ganze Zimmer abgesucht. Jeden Winkel, jedes Fach, jede Schublade. Wieder kein Glück gehabt. Dabei war Humboldt so sicher gewesen, dass das Tagebuch im Schlafzimmer sei. Doch hier war nichts. Eine ganze Viertelstunde hatte er verplempert und war immer noch keinen Schritt weiter.
    Die Zeit wurde knapp.
    Er verließ das Schlafzimmer und eilte nach links. Das nächste Zimmer schien eine Art Studierstube zu sein. Bücherregale, ein Schreibtisch, einige Stühle und ein Sekretär. Darauf Tintenfässer, Schreibwerkzeuge sowie ein Stapel unbeschriebenes Papier.
    Mit aufkeimender Hoffnung näherte sich Oskar dem Sekretär.
    Die Schublade war abgeschlossen.
    Oskar wühlte in seiner Hosentasche. Seine Finger ertasteten ein gebogenes Metallstück. Er zog es heraus und hielt es in die Höhe. Ein schmales Grinsen umspielte seinen Mund. Alte Gewohnheiten legte man nicht so einfach ab. In den Zeiten, als er sein Brot mit Taschendiebstählen und kleinen Raubzügen bestritten hatte, war ihm dieses Metallstück stets ein treuer Begleiter gewesen.
    Er steckte den Dietrich ins Schloss und drehte ihn sanft nach rechts. Er spürte einen Widerstand. Jetzt war Vorsicht geboten. Eine unachtsame Bewegung und der dünne Stift würde abbrechen. Zum Glück waren die Metallteile gut geölt. Er ertastete den Widerstandspunkt, winkelte den Dietrich leicht an, sodass er ihn als Hebel verwenden konnte, und drückte den Stift nach unten. Ein befriedigendes Klicken war zu hören. Rasch zog er ihn wieder heraus, steckte ihn ein und öffnete die Schublade. Im Licht der Feuerwerkskaskaden sah er den Inhalt. Briefpapier, Siegelwachs, allerlei Stifte und – ihm stockte der Atem – ein fleckiges, abgewetzt wirkendes Notizbuch. Auf dem dunklen Holzboden der Schublade glitzerten Sandkörner.
    Er wollte schon zugreifen, als er in der Fensterscheibe eine Bewegung bemerkte. Irgendjemand kam hinter ihm den hell erleuchteten Flur entlang. Rasch löste er die Finger vom Tagebuch und stieß die Schublade zu. Oskar hielt den Atem an und tat so, als würde er aus dem Fenster blicken. In der gläsernen Reflektion sah er, dass der Fremde im Türrahmen hinter ihm stehen geblieben war.
    »Hallo, mein Junge.«
    Es war der Hausherr.
    Himmel!
    Oskar drehte sich um. »Oh, hallo, Herr Bellheim.« Seine Stimme zitterte. Er konnte es nicht verhindern.
    »Was machst du hier?«
    »Ich hab mich verlaufen«, log Oskar. »Die untere Toilette war besetzt, da hab ich gedacht, ich schau mal im ersten Stock nach. Na ja, und

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