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Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Titel: Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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dehnte sich die Landschaft in alle Richtungen aus. Die Ebene war von allerlei Wasserrinnen durchkreuzt, die ein Labyrinth aus Streifen und Linien auf den knochentrockenen Boden zeichneten. Hier und da war ein Felsen zu sehen, manchmal sogar ein Baum. Tiere gab es so gut wie keine, sah man mal von der Herde kleiner Antilopen ab, die beim Anblick des Luftschiffs panisch die Flucht ergriff.
    Oskar stand an der Reling und blickte hinunter. Nachdenklich rieb er über seinen Unterarm. Die Stelle, an der Bellheim ihn mit seiner Glaszunge erwischt hatte, juckte wie verrückt. Ein dunkler Fleck war entstanden. Ob als Folge einer Verletzung oder weil er ständig daran herumkratzte, war nicht ganz klar. Sicher war nur, dass sich die Haut darunter irgendwie hart und geschwollen anfühlte. Normalerweise wäre er damit sofort zu Humboldt gegangen, aber seit der letzten Unterhaltung verspürte er nicht die geringste Lust, mit ihm zu reden. Eine unsichtbare Mauer aus Schweigen herrschte auf dem Schiff. Wilma war die Einzige, die momentan auf seiner Seite war. Ihr war es egal, wie er lebte und was er für eine Vergangenheit hatte. Sie akzeptierte ihn so, wie er war. Bei Humboldt war er sich da nicht mehr so sicher. Warum mischte er sich in seine Angelegenheiten ein?
    Wilma stand da und blickte mit ihren schwarzen Knopfaugen zu ihm auf. Sie brauchte nicht mal sprechen zu können, um ihm zu verstehen zu geben, was sie wollte.
    »Na, komm her, meine Kleine«, sagte er. »Du musst doch nicht da unten stehen, wenn es hier oben so viel schöner ist.« Er hob sie hoch und setzte sie neben sich auf die Reling.
    »Siehst du? Schon besser, oder?«
    Wilma blickte nachdenklich in die Tiefe, dann sagte sie: »Land trocken.«
    »Allerdings«, sagte Oskar. »Das ist die Sahel. Die größte Steppe der Erde. Kein Ort, an den man gehen sollte, ohne ein paar Wasservorräte dabeizuhaben.«
    Die Pachacútec sank tiefer und tiefer. Eine heiße Windböe erfasste das Schiff und schob es zur Seite. Der Auftriebskörper wurde eingedrückt. Humboldt hatte alle Mühe, das Schiff auf Kurs zu halten. Die Seile ächzten und knarrten. Der Wind fegte über den Sand und blies ihn zu kleinen Wirbeln empor. Die Luft schien zu glühen. In der Ferne tauchten seltsame Gebilde auf. Kastenförmige, steile Strukturen, die hoch über die Ebene ragten. Wie eine Perlenkette zogen sie sich von West nach Ost.
    Humboldt hatte sie auch gesehen. Er blickte auf seine Karte, dann nickte er. »Das müssen die Hombori-Berge sein. Dort drüben, im Westen, liegt Bandiagara. Wir haben unser Ziel erreicht. Sag den anderen Bescheid.« Doch die beiden Frauen hatten bereits alles mitbekommen. Sie verließen den Schatten ihres Sonnensegels und kamen herbei.
    Charlotte kniff die Augen zusammen.
    »Dahinten, am Horizont.« Der Forscher wies in die Richtung. »Die eckigen Silhouetten, siehst du?«
    »Ja, ich erkenne sie. Wie lange noch, bis wir dort eintreffen?«
    Humboldt verglich seinen Kompass mit den Eintragungen auf seiner Karte, dann sagte er: »Die Luft ist ziemlich aufgewirbelt, das macht die Einschätzung schwierig. Es dürften aber so um die dreißig Kilometer sein.«
    Mittlerweile waren die Erhebungen deutlicher zu sehen. Der Forscher schwenkte die Propeller nach oben und ließ das Schiff in einen langsamen Sinkflug gleiten.
    »Du willst schon landen?«, fragte Charlotte.
    »Ich dachte, wir fliegen direkt zu den Bergen«, ergänzte Oskar.
    Der Forscher schüttelte den Kopf. »Zu gefährlich. Erinnert ihr euch, was Bellheim in seinem Tagebuch über die Hombori-Berge geschrieben hat? Die Dogon leben dort. Ein stolzes und eigenwilliges Volk. Sie haben mit Sicherheit noch nie ein Luftschiff gesehen. Wir sollten versuchen, sie nicht unnötig in Angst zu versetzen. Sobald wir den ersten Kontakt geknüpft haben, können wir immer noch näher ranfliegen.«
    Er blickte nach oben. »Außerdem bereitet mir das Wetter Sorgen. Der Wind wird von Minute zu Minute heftiger. Er treibt uns genau in Richtung der Klippen und ich kann nicht riskieren, dass wir gegen die Felswände gedrückt werden.«
    Die Berge hatten immer mehr an Konturen gewonnen. An der Basis der senkrecht abfallenden Klippen wuchsen Büsche und Bäume.
    Eine weitere Windböe erschütterte das Schiff. Der Forscher starrte grimmig auf seine Instrumente.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Oskar.
    Humboldt verneinte. »Der Luftdruck gefällt mir nicht«, sagte er. »Er ist binnen der letzten halben Stunde um etliche Striche gefallen. Auch der

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