Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch
zwar aussahen wie Menschen, sich jedoch völlig anders verhielten. Diese sogenannten Glasmenschen machten ihnen Angst. Sie waren in der Lage, andere Geschöpfe zu infizieren und zu ebensolchen Glaskreaturen zu machen. Als die Dogon merkten, was vorging, setzten sie sich zur Wehr. Sie griffen die Tellem an und belagerten und eroberten ihre Stadt. Dann verriegelten sie alles und errichteten Barrikaden. Niemand durfte den verbotenen Berg ohne ihre Zustimmung betreten. Was die Tellem damals aus der Wüste herbrachten, muss sich also immer noch auf dem Berg befinden, möglicherweise in einem Tempel oder einer anderen Kultstätte. Die Dogon haben einen Namen dafür. Sie nennen es Den gläsernen Fluch.«
Pepper lächelte. »Eine recht fantasievolle Geschichte. Die wird sich bestimmt gut in dem Buch machen.«
»Ich freue mich, dass sie Ihnen gefällt.«
»Und Sie glauben daran?«
Wilsons Braue hob sich um eine Nuance. »Warum nicht? Es gibt viele Legenden in Afrika, aber keine, die sich so hartnäckig über die Jahrhunderte gehalten hat. Die französischen Landvermesser schienen das auch so zu sehen, denn sie schrieben die Geschichte auf und brachten sie nach Paris.« Wilson versenkte seine Hände in den Hosentaschen. »Wir haben es also gleich mit mehreren ungelösten Fragen zu tun. Erstens: Existiert dieser Stein wirklich und, wenn ja, warum hat man nie einen Krater gefunden? Zweitens: Wer waren die Tellem und warum haben sie den Stein hierhergeschafft?« Er ließ sein Silberauge in die Runde schweifen. »Persönlich glaube ich nicht an Gespenstergeschichten, aber dass die Tellem etwas gefunden haben, steht für mich außer Zweifel. Man mag es drehen und wenden, aber unsere Suche gilt nichts Geringerem als einem der rätselhaftesten Meteoriten, der jemals auf die Oberfläche unserer Erde gelangt ist. Ich kann nur hoffen, dass er immer noch in der verbotenen Stadt liegt und dort auf unsere Entdeckung wartet.«
Ehrfürchtiges Schweigen setzte ein. Anscheinend träumten alle von dem gewaltigen Wert, den ein solches Objekt besitzen mochte. Ganz zu schweigen von der Aufmerksamkeit und Anerkennung, die mit der Enthüllung eines solchen Fundes verbunden waren.
Der Einzige, der dem Traum von Ruhm und Geld nichts abgewinnen konnte, war Max. »Ich hätte da noch eine Frage.«
Wilson zog spöttisch einen Mundwinkel hoch. »Und die wäre?«
»Wie kommt es, dass die Franzosen Ihnen diese wertvollen Dokumente einfach so überlassen haben? Hätten sie nicht eine eigene Expedition losschicken müssen? Immerhin liegen die Berge in ihrem Hoheitsgebiet, in Französisch-Sudan.«
»Was wollen Sie damit andeuten?«
Max zuckte mit den Schultern. »Ich wundere mich nur. Immerhin befanden sich die Dokumente jahrelang in französischem Besitz. Wie haben Sie Les Français dazu gebracht, sie an Sie abzutreten?«
Wilsons Augen wurden hart wie Murmeln. »Mir passt die Art Ihrer Frage nicht. Wollen Sie andeuten, ich hätte die Dokumente gestohlen?«
»Natürlich nicht. Ich …«
»Suchen Sie sich Ihre Informationen zusammen, wenn Sie müssen, aber verschonen Sie mich mit Ihren Verdächtigungen. Fest steht: Wir sind hier und die Franzosen sind es nicht. Alles andere ist unwichtig. Alles, was ich von Ihnen verlange, ist, unsere Expedition zu dokumentieren und das Ganze mit möglichst dramatischen Fotografien zu garnieren. Es soll eine Reisereportage werden, keine Abhandlung über französische Innenpolitik. Wenn Sie damit ein Problem haben, können Sie und Ihr Kollege gern in Dakar das Schiff Richtung Heimat nehmen.«
Max räusperte sich. Mit einer solch heftigen Reaktion war nicht zu rechnen gewesen. Es schien, als habe er geradewegs in ein Wespennest getreten. »Ich würde gern bleiben, wenn ich darf. Vermutlich haben Sie recht. Solche Informationen würden die Reportage nur unnötig in die Länge ziehen.«
»Gut.« Es klang eher wie ein Schnauben. »Dann können wir uns endlich den Details unserer Reise widmen.«
Max warf Harry unter gesenkten Brauen einen vielsagenden Blick zu. Sein Instinkt sagte ihm, dass er einer interessanten Story auf der Spur war. Interessanter vielleicht als der Meteorit selbst.
19
Wie ein Raubvogel stieß die Pachacútec durch die dünne Wolkendecke hinab. Tiefer und tiefer sank sie nach unten, während sie sich dem Boden bis auf wenige Hundert Meter näherte. Es war spät am Nachmittag und die niedrig stehende Sonne ließ die Savanne in warmen, strahlenden Ockertönen erglühen. Gleichförmig
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