Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch
seiner Augenhöhle.
Oskar schauderte, als er das klirrende Geräusch hörte.
»Dann sind Sie also immer noch entschlossen, den Stein von hier zu entwenden?«, fragte Humboldt.
»Mehr denn je. Was Sie mir erzählt haben, war sehr aufschlussreich. Ich glaube, ich muss meine Strategie neu überdenken. Statt mittels Holzplanken einen Weg durch das Innere des Tempels zu bahnen, werde ich vermutlich besser von oben einsteigen. Dieses Fenster aus Kristall sieht so aus, als könne man es relativ leicht zerstören. Sehen Sie?« Er deutete unter die Kuppel. »Wir werden einen einfachen Hebekran konstruieren und den Meteoriten nach oben aus seiner Halterung heben. Was halten Sie davon?«
Der Forscher trat einen Schritt zurück. »Das kann ich nicht zulassen und das wissen Sie.« Seine Hand wanderte zu seinem Gehstock, doch Jabez Wilson war vorbereitet. Blitzschnell fuhr sein Degen empor. Die beiden Waffen kreuzten sich mit einem klirrenden Geräusch. Im selben Augenblick spürte Oskar kalten Stahl an seiner Schläfe. Jonathan Archer war hinter ihn getreten und hielt ihm seine Pistole an den Kopf. Ein Raunen ging durch die Kehlen der Männer.
»Na, na, mein lieber Humboldt. Sie wollen es tatsächlich auf einen Kampf ankommen lassen?« Wilson nickte in Oskars Richtung. »Das würde ich mir an Ihrer Stelle noch einmal überlegen.«
Der Forscher sah hinüber. Als er die Pistole sah, wurden seine Augen kalt wie Stahl. »Sie feiger …«
Wilson nutzte den Moment der Ablenkung und schlug dem Forscher die Waffe aus der Hand. »Verlieren Sie jetzt bitte nicht Ihre Contenance, werter Kollege. Es gibt keinen Grund, ausfällig zu werden. Dies hier ist nichts Persönliches, es geht nur ums Geschäft.«
»Wenn Sie sich da mal nicht täuschen«, knurrte Humboldt. »Wer meinem Sohn eine Waffe an die Stirn hält, sollte nicht verwundert sein, wenn ich das persönlich nehme.«
»Dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als Sie in Sicherheitsverwahrung zu nehmen. Patrick, sperren Sie die Bande drüben in eines der Lehmhäuser. Vielleicht kommen sie dort wieder zur Besinnung.«
»Dann können Sie mich auch gleich mit einsperren.« Harry Boswell verschränkte die Arme vor der Brust und trat vor. »Ich bin nicht länger gewillt, Ihren kriminellen Handlungen tatenlos zuzuschauen. Ich habe das lange genug getan.« Seine Brille zitterte.
Wilson lief rot an. »Sie haben einen Auftrag, Sie verdammter Duckmäuser! Stellen Sie sich zurück in die Reihe und erledigen Sie Ihre Arbeit!«
Harry schüttelte den Kopf. »Finden Sie doch einen anderen Idioten, der Ihre Schurkenstreiche fotografiert. Ich kündige. Und du solltest das auch tun, Max.«
Oskars Blick wanderte zu dem kleinen Mann mit dem gestutzten Schnurrbart. Der Redakteur des Global Explorer wirkte völlig verdattert. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn aber gleich wieder. Schließlich brachte er doch noch ein paar Worte heraus: »Wie wär’s, wenn sich alle erst mal wieder beruhigen würden?« Er hob beschwichtigend die Hände. »Ich komme mir vor wie auf dem Schulhof. Bestimmt gibt es einen Weg, wie wir den Konflikt friedlich beilegen können.«
»Ach Max, du bist viel zu gutmütig für diese Welt.« Harry sah seinen Freund mitleidig an. »Darf ich dich daran erinnern, was in dem Telegramm gestanden hat? Damals hast du noch klargesehen.«
»Was denn für ein Telegramm?«, hakte Humboldt gleich nach.
»Das Telegramm, das wir in Dakar von einem britischen Journalisten erhielten und aus dem hervorgeht, dass Sir Wilson den Astronomen François Lacombe aus dem Weg geräumt hat, um an den Bericht der französischen Landvermesser zu gelangen …«
»Alles haltlose Spekulationen!«, polterte der Meteoritenjäger.
»… und in dem zu lesen stand, dass seine Freunde in der Londoner Kriminalbehörde den Fall unter ›Majestätsbeleidigung‹ abgelegt haben. Ein klarer Fall von Rechtsbeugung, wenn Sie mich fragen.«
»Aber Sir Wilson hat mir das Leben gerettet …« Max wirkte auf einmal schrecklich hilflos.
»Und du ihm. Für mich sieht das aus, als wärt ihr quitt.«
»Und was war bei dem Angriff der Dogon?«, fragte Max. »Wenn nicht einer seiner Männer auf der Hut gewesen wäre, läge ich jetzt mit gespaltenem Schädel in irgendeinem Erdloch. Das war schon das zweite Mal, dass er mir das Leben gerettet hat.«
»Das war ich, du Idiot«, sagte Harry und um seinen Mund spielte ein trauriges Lächeln.
Max klimperte ein paarmal mit den Augen. »Was sagst du
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