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Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Titel: Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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ausprobiert.«
    »Gut. Dann bitte drei.«
    »Aber …«
    »Du sagtest doch, dass es klappen könnte.«
    »Ja schon, aber …« Ratlos blickte er zu Humboldt hinüber.
    »Wenn der Professor es wünscht, soll er es mit dreien probieren. Ich halte es für verrückt, aber es gibt keine Regel, die dagegenspricht.«
    Oskar griff in die Schachtel mit den Tontauben und legte drei der roten Scheiben in den Wurfapparat. Er spannte den Hebel und ließ den Sicherheitsverschluss einrasten.
    »Wollen Sie nicht lieber nur zwei nehmen? Damit könnten Sie immerhin noch ein Unentschieden rausholen.«
    »Drei.«
    Oskar schüttelte den Kopf. »Bereit«, sagte er.
    Auf dem Deck wurde es ruhig. Der Wettkampf hatte eine unerwartete Wende genommen.
    »Los«, sagte Lilienkron.
    Oskar zog den Hebel. Mit einem Rattern entspannte sich die Feder. Der Wurfarm sauste nach vorne und nahm dabei die drei Scheiben problemlos mit. Es ertönte ein Sausen, dann sah man, wie die drei in unterschiedliche Richtungen davonflogen.
    Lilienkron legte an und feuerte. Eine der Scheiben verwandelte sich in roten Staub. Mit einer Bewegung, so schnell, dass das Auge fast nicht zu folgen vermochte, nahm er das Gewehr runter, spannte den Hebel und legte wieder an. Peng! Wieder explodierte eine Scheibe. Die leere Patronenhülse fiel scheppernd zu Boden. Die Luft war mit Pulverdampf erfüllt. Die letzte Tontaube war kaum noch zu sehen. Unmöglich, sie aus dieser Entfernung noch zu treffen. Der Geologe spannte, zielte und zog den Abzug durch. Ein Krachen war zu hören. Oskar schaute hinter der Tontaube her. Das Projektil befand sich bereits in einer Abwärtskurve. Die Zeit zog sich in die Länge wie ein Gummiband. Als er schon glaubte, die Kugel müsse längst vorbeigeflogen sein, sah er eine rote Wolke. Eliza hüpfte in die Höhe und klatschte begeistert in die Hände. »Gewonnen!«
    Lilienkron lächelte bescheiden.
    »Das war einfach unglaublich«, rief Eliza. »Findet ihr nicht?«
    Fassungsloses Schweigen breitete sich auf dem Deck aus. Am schlimmsten hatte es Humboldt erwischt. Sein Mund war ein schmaler Strich. Wortlos griff er in die Tasche und drückte Lilienkron und Eliza eine Münze in die Hand. Dann ging er zu der Abschussvorrichtung und legte vier Scheiben ein. Ohne dass irgendjemand Zeit hatte zu fragen, was er da tat, bestückte er seine Armbrust mit einem silberfarbenen Zylinder, ließ das Magazin einrasten und betätigte den Wurfhebel für die Tontauben. In aller Seelenruhe hob er die Armbrust und feuerte hinter den tönernen Scheiben hinterher. Ein Donnerschlag ließ das Schiff erzittern. Die Explosion verwandelte den Himmel für den Bruchteil einer Sekunde in eine gelb glühende Sonne. Die Pachacútec wurde von einem Windstoß erfasst, der sie zur Seite drückte und den Passagieren die Füße unter dem Leib wegzog. Heiße Luft brandete über sie hinweg. Von den vier Tontauben war nicht mal mehr Staub übrig geblieben.
    Als sich alle von ihrem Schrecken erholt hatten, war Humboldt bereits unter Deck verschwunden.

 
10
     
     
    Die Tage vergingen. Die Pachacútec überquerte Berge, Ebenen, Wüsten und Flüsse und steuerte dabei unbeirrt ihrem Ziel entgegen. Humboldt hatte entschieden, den Himalaja zu umfliegen und stattdessen die Route über das Königreich Ungarn, Rumänien, das Osmanische Reich, Persien und Britisch-Indien zu nehmen.
    Bisher war die Reise problemlos und entspannend verlaufen, sah man mal von der fortwährenden Rivalität zwischen Humboldt und Lilienkron ab. Das Wettschießen hatte die Situation nicht verbessert. Mal stritten sie über geographische Besonderheiten, dann wieder über die Beschaffenheit von Wolken oder Luftströmungen. Es schien nicht ein Thema zu geben, bei dem Einigkeit herrschte. Nicht mal das Luftschiff vermochte Lilienkron zu begeistern. Statt sich darüber zu freuen, dass die Pachacútec sie binnen weniger Tage nach Batavia brachte, beklagte er sich fortwährend über die mangelhafte sanitäre Ausstattung und die Enge in den Kabinen. Es stimmte schon: Toiletten gab es keine, nur eine Öffnung im hinteren Teil der Laderäume, wo man sich hinsetzen und sein Geschäft verrichten konnte. Während sich die Frauen eine Kajüte im Oberdeck teilten, schliefen die Männer in engen Nischen im Unterdeck, eingekeilt zwischen Kombüse und Proviantraum. Weiter vorne ging es zum Wasserraum und zum Kabelgatt, wo Werkzeuge, Ersatzteile, Seile und Lebensmittel lagerten. Dort roch es nach Schinken, Sauerkraut und Öl, und wenn der

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