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Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Titel: Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Leibesumfang hatten ihm unter den anderen Bediensteten den Spitznamen Stoomketel, Dampfkessel, eingebracht.
    »Es ist … nun. Vielleicht wäre es besser, wenn Sie es sich selbst anschauen.«
    Poortvliet hob die Brauen. »Anschauen? Was denn?«
    Marten eilte durch das Zimmer, öffnete die Fensterflügel und deutete nach draußen.
    Das Haus des Generalgouverneurs thronte wie ein Krähennest auf einem Hügel außerhalb der Stadt. Von hier aus hatte man einen prächtigen Blick über die Dächer und Straßen, die Plätze und quirligen Gassen. Rechts lag das Viertel der Weber und Tuchmacher, darunter das der Schneider und Schuster, der Goldschmiede und Korbflechter. Etwas weiter links folgten die Gewürzhersteller, die Kaffeehäuser und Teestuben, die Restaurants, Gemüsehändler und Bäcker. Zum Hafen hin wurden die Gebäude größer. Riesige Lagerhäuser ragten in die Höhe, in denen es zuging wie in einem Bienenstock. Waren wurden angeliefert, registriert, nummeriert, für den Weitertransport in Kisten oder Säcke umgefüllt und eingelagert. Einmal in der Woche fanden im großen Handelskontor Auktionen statt, bei denen Händler aus aller Welt Luxuswaren ersteigern konnten. Hauptsächlich Kaffee, Kakao und Tee. Batavia war eine Stadt, die vor Leben nur so vibrierte. Einfache Arbeiter, wohlhabende Händler, feine Damen, Abenteurer, Huren und Glücksspieler – alle waren sie hier und machten aus der Stadt einen Schmelztiegel der Nationen. In den letzten zehn Jahren hatte sich das Durchschnittseinkommen der Bevölkerung verdoppelt. Aus aller Herren Länder drängten die Menschen hierher, in der Hoffnung, an dem Wohlstand teilzuhaben, der über die Stadt hereingebrochen war wie eine Sturmflut. Chinesen, Japaner, Briten, Franzosen und Deutsche, ganz zu schweigen von den Australiern, die mit ihrem hitzigen Temperament und ihrer Trinkfestigkeit regelmäßig für Schlägereien in den Wirtshäusern sorgten. Es herrschte Goldgräberstimmung in Batavia, und Poortvliet war der Mann, der mit kühlem Kopf und ruhiger Hand dafür sorgte, dass alles in geregelten Bahnen verlief. Marten deutete nach oben und rief: »Das ist es. Sehen Sie doch, sehen Sie.«
    Poortvliet wischte den Schaum aus seinem Gesicht und ging zu seinem Leibdiener hinüber. Zuerst konnte er nichts erkennen. Das Licht war zu hell, seine Augen mussten sich erst daran gewöhnen. Dann sah er eine einzelne dunkle Wolke, die rasch näher kam. Das Verrückte – ja das geradezu Unglaubliche – war, dass sie gegen die Windrichtung flog.
    »Was ist das, Marten? Ein Vogelschwarm?«
    Sein Leibdiener schüttelte den Kopf. »Zu kompakt, Euer Ehren. Scheint eher eine Art Ballon zu sein. Aber ein Ballon, wie ich ihn noch nicht gesehen habe. Sehen Sie nur, die lang gestreckte Form und der Rumpf darunter. Sind das zwei Motorgondeln rechts und links?«
    Poortvliet runzelte die Stirn. Mit einem Mal wusste er, was das war. »Weißt du, was ich glaube, Marten? Das ist ein Luftschiff. Eines von den Dingern, über die kürzlich in Popular Mechanics ein langer Artikel stand. Angeblich wird gerade in mehreren Ländern gleichzeitig daran gearbeitet, wobei Deutschland die Nase vorne zu haben scheint. Ich frage mich …« Er verstummte. Dann sagte er: »Hat Van Spreuwen vom Auswärtigen Amt nicht telegraphiert, dass sie einen deutschen Forscher kontaktieren wollen? Wie hieß der doch gleich …?«
    »Von Humboldt«, antwortete de Vries. »Carl Friedrich von Humboldt.«
    »Richtig.« Poortvliet starrte zu dem seltsamen Luftfahrzeug hinauf. »Wann hat Van Spreuwen gesagt, dass wir mit ihm rechnen sollen? Anfang April, glaube ich.«
    »Sie hielten es damals für einen Scherz.«
    Poortvliet nickte. »Ganz recht, und das tue ich immer noch. Kein Mensch kann in dieser kurzen Zeit um den halben Erdball reisen. Doch so langsam beschleicht mich das Gefühl, dass ich diesen Forscher vielleicht unterschätzt habe.«
    Er zwinkerte in die Sonne. »Marten, lassen Sie eine Kutsche bereitstellen. Sie soll mich in einer Viertelstunde zum Hafen bringen.«

 
14
     
     
    Je tiefer sie sanken, desto wärmer wurde es. Oskar konnte spüren, wie die Temperatur mit jedem gefallenen Meter zunahm. Zuerst war die Wärme willkommen, doch nach einer Weile fing es an, unangenehm zu werden. Auf seinem Hemd und seiner Hose zeichneten sich bereits erste Schweißflecken ab.
    »Das sind die Tropen«, erklärte Lilienkron und setzte sein Professorengesicht auf. »Und das ist noch nicht mal das Schlimmste. Jetzt ist

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