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Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Titel: Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Trockenzeit, da ist es tendenziell etwas angenehmer. Du solltest mal den Dezember oder den Januar erleben. Einhundert Prozent Luftfeuchtigkeit und Temperaturen um die dreißig Grad, da wird jeder Schritt zur Qual. Aber nach ein paar Tagen hat man sich daran gewöhnt.«
    »Ich liebe die Wärme«, sagte Lena. »Ich habe so viel gefroren in meinem Leben, dass ich gar nicht genug davon bekommen kann.« Sie strich über Oskars Arm. »Es ist, als wäre man in eine Decke gehüllt, die einen wärmt und liebkost.«
    Oskar spürte, wie ihm schon wieder das Blut ins Gesicht schoss. Gab es eigentlich eine Pille gegen das dauernde Rotwerden? Er zog seine Hand zurück und widmete sich wieder der Ankerwinde. Lena warf ihm noch einen herausfordernden Blick zu, dann wandte sie sich ab und ging hinüber zu Eliza.
    »Da bist du aber in ein ganz schönes Natternnest geraten, mein Junge. Ich weiß nicht, ob ich dich beneiden oder bedauern soll.« Lilienkron warf ihm einen amüsierten Blick von der Seite zu. »Bitte entschuldige, wenn ich mich da einmische, aber ich habe das Gefühl, du brauchst jemanden, mit dem du dich unterhalten kannst.«
    Oskar wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Natürlich wäre es schön, mal mit einem Geschlechtsgenossen über seine prekäre Lage zu reden. Humboldt schied schon mal aus. Als sein Vater würde er kaum unparteiisch sein können. Und einen anderen gab es nicht. Aber Lilienkron? Zweifelnd blickte er auf Wilma, die in Lilienkrons Armbeuge saß und mit seiner Mütze spielte. Der Gelehrte bemerkte seinen Blick. »Eigenartig, nicht wahr? Zuerst dachte ich, ihre Zuneigung gälte nur mir, bis ich feststellte, dass sie sich in meine Mütze verliebt hat. Ja, lach nicht, sie ist ganz versessen darauf. Ich muss zugeben, entfernt erinnert sie ein wenig an einen Kiwi. Ich habe beschlossen, ihr das gute Stück zu überlassen, sobald wir wohlbehalten wieder zu Hause sind. Jetzt brauche ich sie noch. Ich will schließlich keinen Sonnenstich bekommen.«
    Oskar verzog keine Miene. Das wäre ja noch schöner. Erst schmeichelte sich dieser undurchsichtige Professor bei Wilma und Eliza ein und nun versuchte er, auch ihn auf seine Seite zu ziehen.
    »Ich weiß nicht, was sie meinen«, erwiderte er kalt. »Es gibt nichts, was ich mit Ihnen besprechen müsste.«
     

     
    Die Pachacútec sank tiefer und tiefer. Schon war die Bucht des Ciliwung zu erkennen. Oskar schnappte sich ein Fernglas und spähte nach unten. Unzählige Schiffe lagen dicht gedrängt in der Bucht: Klipper, Schoner und Dampfschiffe, dazwischen kleine Boote, die Waren und Passagiere hin- und herbeförderten. Es gab aber auch Schiffe in traditioneller Bauweise: Dschunken, Sambuken und Dhaus, die mit ihren dreieckigen Latinersegeln wie Überbleibsel aus einer längst vergangenen Zeit wirkten. Für Oskar, der ein wandelndes Lexikon in Sachen Schifffahrt und Bootstypen war, war der Anblick ein Fest.
    Die Stadt breitete sich wie ein bunter Teppich unter ihm aus. Ein Gewirr von Straßen und Gassen, von Häusern, Plätzen, Tempeln und Pagoden, zwischen denen schmale Wasserwege hindurchführten. Die Kais waren gesäumt mit Menschen, die unter farbenfrohen Bannern und Sonnenschirmen ihren täglichen Geschäften nachgingen. Umgeben von Feldern und Wäldern lag die Stadt in einer Ebene, aus der sich nur wenig kleinere Hügel erhoben. Es war, als würde man einen Ameisenhaufen beobachten – ein komplexes Gebilde, in dem gleichermaßen Chaos und Ordnung herrschten. Aus unzähligen Feuerstellen stieg Rauch auf.
    Oskar schloss die Augen. Er glaubte einen entfernten Duft von Gewürzen und Fisch in der Nase zu spüren, dazwischen eine vage Andeutung von Fettgebackenem. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen.
    Sie waren auf etwa zweihundert Meter herabgesunken, als von einem der langen hölzernen Kais ein rotes Licht aufstieg. Es schoss in die Höhe, schwebte dort einige Sekunden und wurde dann blasser.
    »Ich glaube, das gilt uns«, rief Humboldt herüber und richtete sein Fernrohr auf den Kai. »Ich sehe eine Kutsche und ein paar Männer, die uns zuwinken. Einer von ihnen hat eine Leuchtpistole. Vermutlich wollen sie, dass wir dort runtergehen.«
    Das Landemanöver war der kniffligste Teil der Reise. Die Geschwindigkeit musste stimmen, eventuelle Windbewegungen ausgeglichen werden, man durfte nicht versehentlich irgendwelche Bäume oder Gebäude streifen und zum Schluss galt es ja auch noch, den Anker auszuwerfen. Alles in allem ein nervenaufreibender Vorgang, bei dem

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