Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels
dann bildeten sich auf seiner Stirn steile Falten.
»Beim Jupiter, du hast recht«, sagte er. »Das ist in der Tat ungewöhnlich. Es sieht aus wie …«, er hielt den Stein schräg zum Licht. »Ach verdammt, es ist zu schwach. Was ich jetzt bräuchte, wäre Gips. Sie haben nicht zufällig Gips hier im Haus, Herr Poortvliet?«
Der Gouverneur zuckte mit den Schultern. »Tut mir leid. Aber ich kann Marten anweisen, uns etwas zu besorgen.«
»Nicht nötig. Ich glaube, es geht auch so.«
Humboldt nahm eines der Gebäckstücke vom Tablett, biss herzhaft hinein und kaute einige Zeit darauf herum. Dann holte er den matschigen Teigklumpen aus seinem Mund.
Charlotte rümpfte etwas angewidert die Nase.
»Was machst du da?«
»Wart’s ab.« Er nahm das Teigstück, rollte es ein paar Mal zwischen seinen Fingern hin und her und schmierte das Zeug dann auf den Stein. Er drückte es fest, wartete ein paar Sekunden, dann löste er es von dem spröden Material. Er strich die Ränder glatt und blickte dann von der Seite darauf. »Das ist in der Tat erstaunlich«, sagte er. »Dieser Stein stammt tatsächlich nicht aus einem Vulkan. Seht euch das an.« Er wischte seine Hände an seinem Taschentuch ab. Charlotte und die anderen rutschten näher, um zu sehen, was Humboldt ihnen zeigen wollte. Was sie sahen, verschlug ihnen den Atem.
16
Ein paar Stunden später …
Batavia fiel allmählich hinter ihnen zurück. Mit Gouverneur Poortvliets Empfehlungsschreiben sowie einem frischen Vorrat an Trinkwasser, Obst, Brot und anderen Gebrauchsgütern an Bord hatte die Pachacútec erneut den Anker gelichtet und steuerte nun Richtung Osten, dem Pazifischen Ozean entgegen. Oskar stand am Steuerrad und ließ sich den warmen Wind um die Nase wehen. Ihr Ziel war Surabaya, die größte Stadt am östlichsten Zipfel Javas. Ein ehemaliger Hauptsitz von Piraten, Schmugglern und anderen Strauchdieben. Hier wollte Humboldt auf König Bhamban den Dritten treffen, von dem er sich einige Antworten erhoffte. Dem Vernehmen nach residierte der König etwas außerhalb der Stadt in einem alten Tempel. Oskar war immer noch nicht klar, was sein Vater sich von dieser Begegnung erhoffte. Was mochte das für ein Mann sein, der Menschenopfer brachte? Warum flogen sie nicht gleich zu der Stelle, an der Lilienkron sein Erlebnis hatte, und gingen den Dingen auf den Grund? Oskar tröstete sich mit dem Gedanken, dass sein Vater für alles einen guten Grund hatte, er wünschte sich nur, dass er ihnen ein paar mehr Informationen geben würde. In diesem Moment tauchte Humboldt wieder auf. Er war vor ein paar Minuten im Frachtraum verschwunden, jetzt kam er wieder, einen kleinen Lederkoffer in der Hand. Er öffnete ihn und holte einige seltsam aussehende Bänder heraus.
»Kommt mal alle her«, rief er. »Ich möchte euch etwas zeigen.«
Oskar legte den Sperrhebel um und verließ das Steuer.
»Was ist das?«, fragte er und deutete auf die Bänder. Sie waren aus Leder gefertigt und besaßen in der Mitte eine auffällige Verdickung. Auf einer Seite waren sie mit dünnen Metallplättchen besetzt und vorne gab es eine Schnalle, mit der man das Band verschließen konnte.
»Sind das Armbänder?«, fragte Lena.
»Mitnichten«, erwiderte der Forscher. »Dies ist die neueste Generation unseres bewährten Linguaphons.«
Oskar war verblüfft. »Das soll ein Linguaphon sein? Das ist doch ein Scherz.« Er erinnerte sich, wie groß das Gerät früher gewesen war. Ein dicker grauer Klotz in Form eines Schuhkartons. Und jetzt sollte dieses dünne Band dieselbe Funktion haben? Ausgeschlossen.
Humboldt nickte vergnügt. »Dr. Julius Pfefferkorn hat es für mich entwickelt. Es ist ein Halsband. Man legt es so an, mit der dicken Seite nach vorne.«
»Pfefferkorn?« Oskar betrachtete das schmale Lederband mit skeptischem Blick. »Den Namen habe ich noch nie gehört.«
Charlotte warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. »Liest du denn keine Zeitung? Vor etwa einem Jahr stand einiges über ihn in der Morgenpost. Angeblich soll er sein Labor und einige angrenzende Häuser bei dem Versuch, eine Geldmünze ins Weltall zu schießen, verwüstet haben.«
»Muss mir entgangen sein«, erwiderte Oskar kleinlaut.
»Das kommt, weil du immer gleich bis zum Sportteil blätterst. Die Nachrichten über Politik, Forschung und Wissenschaft findest du vorne.«
»Ist ja gut«, fauchte Lena. »Wir haben kapiert, dass du uns immer eine Nasenlänge voraus bist. Aber es gibt Leute, die arbeiten
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