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Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Titel: Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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müssen und nicht den ganzen Tag Zeit haben, in der Zeitung zu blättern.«
    Charlotte parierte sofort. »Na ja, wenn du es als Arbeit betrachtest, auf Knien vor Oskar herumzurutschen und ihm die Füße zu küssen …«, sagte sie schnippisch.
    »Das ist doch …« Lena rief rot an.
    »Genug jetzt.« Humboldt trat zwischen die beiden. »Wir sind eine Forschungsgruppe und kein Kindergarten. Es stimmt schon, Dr. Pfefferkorn hat an der Beschleunigung von Metallstücken mittels elektromagnetischer Induktion geforscht und dabei Kräfte freigesetzt, die – sagen wir mal – schwer zu kontrollieren waren. Doch sein Labor ist längst wiederhergestellt. Es liegt nun in einem Bombenkeller zwanzig Meter unter dem Erdboden. Ich habe ihm finanziell unter die Arme gegriffen und er hat sich dafür bereit erklärt, mit mir zu kooperieren.«
    »Seine Methoden sollen recht umstritten sein«, sagte Lilienkron. »Angeblich beschäftigt sich der Mann sogar mit Alchemie.«
    »Humbug«, widersprach Humboldt. »Nichts als Gerüchte und üble Nachrede. Pfefferkorn beschäftigt sich mit den Grundlagen der Physik, mit Atomen und dem Aufbau der Materie. Unser Forschungsprojekt hat etwas mit …«, er warf einen Blick auf Lilienkron. »Nein, es ist noch zu früh, darüber zu reden. Aber es wird spektakulär, das kann ich euch versprechen.«
    Charlotte zog die Brauen zusammen. »Seit wann arbeitest du mit ihm zusammen?«
    »Seit etwa einem halben Jahr. Er überwacht die letzten Stadien meiner neuen Erfindung und hat nebenbei unser Linguaphon verfeinert. Er fand, das Gerät bedurfte einer gewissen Verknappung.« Humboldt legte das Band wie eine Krawatte unter den Kragen seines Hemdes und drückte den Verschluss zusammen. »Schick, oder? Wie ihr seht, liegt es nun direkt am Kehlkopf an und moduliert unsere Worte an der Quelle. Das heißt, wir benötigen nicht länger einen elektrischen Lautsprecher. Unsere Stimmbänder werden dazu angeregt, selbstständig in der fremden Sprache zu reden.« Er nahm einen kleinen Knopf, der mittels eines Drahtes mit dem Halsband verbunden war, und steckte ihn sich ins Ohr. »Die ankommenden Signale werden in diesem Ohrhörer verarbeitet und übersetzt. Wir selbst hören alles in Deutsch, unser Gegenüber aber glaubt, wir würden in seiner Landessprache reden. Das Prinzip ist ebenso einfach wie genial. Hier, versucht es selbst einmal.«
    Alle griffen nach den Bändern, legten sie sich um und steckten den Hörknopf ins Ohr. Oskar blieb skeptisch. »Wo ist der Schalter?«
    »Den gibt es nicht mehr«, sagte der Forscher. »Eure Sprechmuskeln aktivieren das Band. Es schaltet sich ein, wenn ihr redet, und wieder aus, wenn ihr schweigt. Das spart Batterien und verursacht keine unangenehmen Störgeräusche.« Er zog ein Buch aus der Tasche. »Versuchen wir mal, ob es funktioniert.«
    Oskar kannte das Buch. Es war ein Exemplar von William Shakespeares The Tempest – Der Sturm.
    Humboldt räusperte sich, dann fing er an.
    »An Bord eines Schiffes auf See; man hört den tobenden härm von Donner und Blitz. Ein Kapitän und ein Bootsmann treten auf.
    - Bootsmann!
    - Hier, Kapitän, was befehlt ihr?
    - Gut, sag den Matrosen Bescheid; an die Arbeit, schnell, oder wir laufen auf Grund; los, los!«
    Humboldt machte eine Pause und sah die anderen der Reihe nach und mit erwartungsvollem Blick an. »Nun? Hat es funktioniert?«
    Oskar runzelte die Stirn. »Worauf willst du hinaus?«
    »Welche Sprache hast du gehört?«
    »Deutsch natürlich.«
    Humboldt schmunzelte. »Aber ich habe englisch gelesen.«
    »Nein.«
    »Und ob.« Humboldt grinste. »Wenn ihr wollt, lese ich noch eine Passage. Nehmt ruhig zwischendurch mal den Knopf aus dem Ohr, dann werdet ihr’s schon sehen.«
    Es war wirklich umwerfend. Wenn der Knopf drin war, hörte Oskar den Text in Deutsch, nahm er ihn heraus, in Englisch. Sogar in Altenglisch. Und das Beste war: die Übersetzung war perfekt. Ganz ohne die üblichen Aussetzer.
    »Dann darf ich also davon ausgehen, dass das Gerät bei allen funktioniert?«, fragte Humboldt. Alle nickten.
    »Schön. Wir werden die Linguaphone noch brauchen, wenn wir in Surabaya ankommen.« Schweigend gaben sie die Bänder zurück. Selbst Lilienkron schien angemessen beeindruckt. »Und das funktioniert für alle Sprachen?«
    »Für alle, die als Quellcode auf dem internen Speicher hinterlegt sind. Bei fremden Sprachen benötigt das Gerät eine Weile, um sich zu kalibrieren.«
    »Dieser Pfefferkorn muss ein Genie sein«, murmelte Oskar.

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