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Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Titel: Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Oskar nicht mit Bestimmtheit sagen. Möglich, dass es als Tiefenbewohner keine Augen benötigte. Aber was es benötigte – ja, wonach es geradezu gierte –, war Fleisch. Lebendes, atmendes Fleisch.
    Mit einem Aufschrei wandte Oskar sich wieder nach vorne. Der kurze Moment hatte ausgereicht, um ihm für Tage und Wochen Albträume zu bescheren. Oskar mobilisierte die letzten Kraftreserven. Inmitten der Trockenheit und Hitze beinahe ein Ding der Unmöglichkeit. Wo waren nur seine Freunde? Er konnte nur ahnen, wie sie vor ihm im Dunst verschwanden. Täuschte er sich oder ragte da vor ihm ein Felsen in die Höhe? Nein, es stimmte. Ein mächtiger Gesteinsbrocken, mindestens vier Meter hoch. Und dann noch einer. Und noch einer. Dahinter versperrte in einiger Entfernung eine beinahe senkrechte Felswand den Weg.
    Als sich der Dunst für ein paar Sekunden lichtete, konnte Oskar erkennen, dass seine Freunde wie Hasen zwischen den Felsen herumrannten und dabei auf die Klippe zusteuerten. Na klar, sie wollten nach oben klettern.
    Humboldt hatte eine Nische gefunden, die schmal genug war, um nach oben zu gelangen. Mit dem Rücken gegen die eine Wand gelehnt, mit den Füßen gegen die andere und sich dabei mit den Händen hochschiebend, bezwang er den etwa einen Meter breiten Spalt. Charlotte, Eliza und Lilienkron taten es ihm gleich. Als Oskar bei ihnen eintraf, waren sie schon auf drei Metern Höhe. Gehetzt blickte er sich um. Vom Sandhai fehlte jede Spur. Möglich, dass die Felsbrocken sein Vorwärtskommen verlangsamt hatten.
    »Komm, mein Junge. Hoch mit dir.« Humboldt gab ihm mit Handzeichen zu verstehen, er solle sich beeilen.
    »Es ist ganz einfach«, rief Charlotte. »Du musst nur die Spannung halten und dich dann Stück für Stück hochschieben.«
    »Und möglichst nicht nach unten schauen«, ergänzte Eliza.
    Oskar schnallte seinen Rucksack vorne auf die Brust und stemmte sich in den Spalt.
    Keinen Augenblick zu früh. Durch den Dunst sah er, wie das Monstrum auf ihn zusteuerte. Die stachelförmige Flosse auf seinem Rücken ragte hoch in die Luft. Immer wieder wechselte das Wesen die Richtung, doch es war abzusehen, dass es nicht mehr lange brauchen würde, um bis zur Felswand zu gelangen. Oskar verdoppelte seine Anstrengungen. Verbissen schob er sich hoch. Das Gestein war rau und bot guten Halt. Rücken hochschieben, verkeilen, Beine nachziehen – es war fast, als würde man eine Senkrechte hochlaufen.
    Er war auf vier oder fünf Metern Höhe angelangt, als ein dumpfer Schlag den Berg in seinen Grundfesten erschütterte. Sand und Steine rieselten von oben herab. Um ein Haar hätte Oskar den Halt verloren, doch es gelang ihm gerade noch, sich abzustützen. Irgendetwas war gegen die Felswand geprallt. Hastig schob er sich noch ein paar Meter höher. Tief unter ihm wölbte sich der Sand zu einer gewaltigen Beule.
    Der Hai!
    Humboldt und die anderen hatten auf einem Vorsprung Platz gefunden. Oskar beeilte sich, zu ihnen zu gelangen. Plötzlich wurde der Berg erneut getroffen.
    Sein Fuß rutschte weg. Panisch versuchte Oskar, Halt zu finden, doch seine schweißnassen Finger glitten ab.
    Eine Hand schoss von oben herab und packte seinen Kragen. Das Geräusch von reißendem Stoff war zu hören. »Schnell«, keuchte Humboldt. »Dein Fuß. Verkeil ihn in dem Riss dort. Versuch dich festzuhalten, ich ziehe dich rauf.« Oskar keuchte vor Angst und Anstrengung. Der herabrieselnde Sand hatte den Fels rutschig werden lassen. Es war beinahe unmöglich, den Sturz zu verhindern. Unter ihm brodelte und kochte der Sand. Jetzt kamen auch Lilienkron, Eliza und Charlotte zu Hilfe. Sie langten nach unten, packten Oskars Hemd an verschiedenen Stellen und zogen ihn gemeinsam hoch. Es gab eine kurze Schrecksekunde, in der er glaubte, die Nähte würden reißen, dann lag er auf dem Vorsprung. Oskar lächelte erleichtert. Die Hemden von Hambacher waren einfach unverwüstlich.
    In diesem Moment ertönte von unten ein furchtbares Getöse.
    Der Sandhai hatte sich durch die Bodenschichten gewühlt und schoss nun zu ihnen empor. Knapp unterhalb des Vorsprungs schnappten seine Kiefer mit mörderischem Krachen zusammen. Oskar schrie auf und rutschte von der Kante weg. Hätte er noch in der Spalte gesteckt, das Monstrum hätte ihn mit einem Biss verspeist. Der riesige Kopf tauchte einmal kurz auf, versank dann aber wieder in der Tiefe. Der kurze Moment hatte ausgereicht, um Oskar zu zeigen, dass das Vieh doch Augen hatte. Kleine, blinde Totenaugen, die

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