Chroniken der Weltensucher – Das Gesetz des Chronos
Hände voll damit zu tun, sie wieder abzuwimmeln. Ein paar von diesen Schreiberlingen waren sogar dreist genug, hinten über die Mauer zu klettern und sich durch den Garten anzuschleichen. Wilma machte ihnen allerdings einen Strich durch die Rechnung und verscheuchte sie mit lauten Alarmtönen.
Humboldt erschien auch am folgenden Vormittag nicht zum Frühstück, stattdessen sahen sie ihn kurz, wie er das Haus verlieà und davonritt. Irgendwann am Nachmittag kam er wieder. Unter seinem Mantel trug er einen schmutzigen Kittel. Sein Ausdruck war ernst.
»Da bist du ja wieder«, sagte Charlotte, als der Forscher das Haus betrat. »Wir dachten schon, du lässt dich gar nicht mehr blicken. Was ist denn los?«
»Die Lage in der Stadt ist schlimmer, als ich befürchtet hatte«, sagte der Forscher. »Die Sozialisten haben hinter dem Tiergarten am Leipziger Platz eine Barrikade errichtet und liefern sich offene StraÃenschlachten mit den Nationalisten. Die Auseinandersetzungen haben bereits Dutzende von Toten gefordert und es ist absehbar, dass die Sache weiter eskalieren wird. Die Militärregierung hat strenges Durchgreifen verordnet. Ãberall wurden StraÃensperren errichtet und die Gendarmen kontrollieren sämtliche Ausweise. Ich habe von der Oranienburger Vorstadt bis hierher über dreiÃig Minuten gebraucht.«
»Gestern beim Einkaufen war es auch nicht besser«, sagte Lena. »Die Leute horten alles, was ihnen unter die Finger kommt: getrocknete Erbsen, Linsen, Reis, Konservendosen, Pökelfleisch. Es war ein Glück, dass wir uns so früh auf den Weg gemacht haben, so konnten wir noch genügend bekommen. Aber wenn das so weitergeht, wird bald nichts mehr da sein.«
»Richtige Hamsterkäufe waren das«, ergänzte Willi. »Selbst das Sauerkraut, das sonst keiner will, ging weg wie warme Schrippen.«
»Sauerkraut enthält viele wertvolle Inhaltsstoffe«, sagte Humboldt mit tadelndem Blick. »Mineralien, Vitamine, Spurenelemente. Ich hoffe, ihr habt auch davon etwas mitgenommen. Ich liebe Sauerkraut, besonders mit Pellkartoffeln und Kasslerbraten.«
»Keine Sorge«, sagte Eliza lächelnd. »Es ist genug von allem da. Der Keller ist gut gefüllt. Mit dem, was wir haben, können wir problemlos einen Monat oder zwei über die Runden kommen.«
»Gut«, sagte Humboldt. »Dann muss ich mir darüber nicht den Kopf zerbrechen und meine Arbeit kann weitergehen. Die Experimente haben oberste Priorität.«
»Was hast du denn die ganze Zeit gemacht?«, fragte Charlotte. »Man hat dich ja kaum noch zu Gesicht bekommen.«
»Ich musste zusehen, dass ich das Problem mit dem Zeitgeber in den Griff kriege. Der kritische Punkt ist, dass Pfefferkorn und ich ein mechanisches Gerät eingebaut haben. Es ist zwar eines der modernsten Steuergeräte, die es derzeit überhaupt gibt, aber weil es mechanisch funktioniert, ist es einfach zu ungenau. Wir werden es durch ein elektrisches ersetzen.«
»Ein elektrisches?«, fragte Oskar. »Gibt es so etwas denn überhaupt?«
Humboldt nickte. »Nur eines. Aber was es damit auf sich hat, werdet ihr erfahren, wenn es so weit ist. Durch diesen verdammten Zeitungsartikel wird schon genug spekuliert. Experimente mit der Zeit sind nicht ohne Risiko, und wenn die falschen Leute Wind davon bekommen, könnte so ein Apparat groÃen Schaden anrichten.«
Wie um seine Worte zu unterstreichen, klopfte es an der Tür. Es war ein aufdringliches, herrisches Klopfen.
»Das sind sicher wieder diese Schmierfinken«, sagte Humboldt. »Sorgt dafür, dass sie verschwinden, ich bin unten in meinem Laboratorium.« Mit diesen Worten machte er kehrt und verschwand.
Oskar presste die Lippen aufeinander und ging in die Vorhalle. Durch die Milchglasscheibe sah er die Konturen zweier Männer. Er öffnete die Tür und trat ihnen entgegen.
Die Kerle waren breitschultrig, groà und mit gemeiÃelten Gesichtskonturen. Unter den perfekt sitzenden MaÃanzügen zeichneten sich stahlharte Muskeln ab. Eine geradezu spürbare Bedrohung ging von ihnen aus. Ganz gewiss waren das keine Reporter.
»Was wünschen Sie?«, fragte er.
»Ist Herr von Humboldt zu sprechen?«
»Wer will das wissen?«
»Nur eine einfache Frage, Bürschchen. Ist er da oder nicht?«
»Ich â¦Â«
»Mein Onkel ist gerade beschäftigt«, sagte Charlotte, die
Weitere Kostenlose Bücher