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Chroniken der Weltensucher – Das Gesetz des Chronos

Chroniken der Weltensucher – Das Gesetz des Chronos

Titel: Chroniken der Weltensucher – Das Gesetz des Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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nur ein Wimpernschlag. Ich bin sicher, Wilma wird bald wieder hier sein. Erinnert euch an das Gummibandprinzip …«
    Kaum hatte er zu Ende gesprochen, als ein ungeheurer Wind einsetzte. Die Luft über dem Sockel fing an zu brodeln und zu kochen. Oskar machte einen großen Schritt zurück. Luftwirbel fegten durch das Labor und Lichtblitze warfen harte Schatten an die Wände. Vor ihnen materialisierte sich wie aus dem Nichts das Zeitschiff. Wo eben noch leerer Raum gewesen war, ruhte jetzt die vertraute Form aus Kugel und Ringen. Doch irgendetwas war anders.
    Oskar wusste zuerst nicht, was es war, doch dann erkannte er es. Die gesamte Maschine war von einer Kruste aus Eis umhüllt.
    Humboldt schien das nicht zu verwundern. Er holte ein paar Wärmelampen und einen Ventilator und richtete den warmen Luftstrom auf die Apparatur. Im Nu schmolz das Eis. Auf dem Boden sammelte sich Wasser, das rasch zwischen den Steinplatten versickerte. Nachdenklich strich Humboldt mit dem Finger über die Metalllegierung. Das Material sah merkwürdig angegriffen aus. Überall waren Kratzer und Narben. An manchen Stellen waren dunkle Flecken, die aussahen wie Brandspuren. Aber vermutlich war das ganz normal.
    Oskar hielt es nicht länger aus. Er musste wissen, ob mit Wilma alles in Ordnung war. »Darf ich aufmachen?«, fragte er.
    Â»Mach nur«, sagte der Forscher. »Aber pass auf deine Finger auf. Die Maschine dürfte noch recht kalt sein.«
    Oskar öffnete die Kugel und blickte hinein. Zwei große runde Kulleraugen starrten ihn an. Auf dem Gefieder des Vogels lag eine dünne Schicht Raureif. Der Schnabel klappte leise auf und zu. »Wilma kalt.«
    Oskar befreite seine kleine Freundin aus ihrem Gefängnis und hielt sie vor die Wärmelampe. Im Nu wackelte sie wieder mit den Flügelstummeln.
    Â»Na, meine Kleine? Alles gut überstanden?«
    Â»Wilma zurück. Belohnung. Jetzt.«
    Â»Sollst du haben.« Oskar sah Humboldt an. »Weinbrandbohnen, ich habe es nicht vergessen. Darf ich, Vater?«
    Â»Aber natürlich. Geht schon mal hoch. Ich will bloß noch schnell einen Uhrenvergleich machen, um zu sehen, ob wir … Heiliger Strohsack! «
    Humboldt nahm den Chronometer von seinem Handgelenk und verglich ihn mit dem von der Apparatur. Oskar bemerkte, dass auch die Uhr starke Abnutzungserscheinungen zeigte.
    Â»Was zeigt sie denn an?«
    Humboldt war anzusehen, wie schockiert er war. »Ich fürchte, ich muss den Zeitgeber noch einmal von Grund auf überarbeiten«, sagte er. »Wie konnte das nur passieren? Ich darf gar nicht daran denken, was alles hätte schiefgehen können.«
    Charlotte verdrehte ihren Kopf, um besser auf das Zifferblatt sehen zu können. »Wie viele Tage waren es denn nun tatsächlich?«
    Â»Tage?« Humboldt verzog den Mund zu einem gequälten Lächeln. »Es waren Jahre . Zwanzig, um genau zu sein.«
    Â»Zwanzig Jahre?« Oskar hielt Wilma fest umklammert. »Das ist doch nicht möglich.«
    Â»Ich fürchte, doch«, sagte Humboldt. »Seht euch das Zeitschiff an, wie korrodiert es ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das auf natürlichem Wege entstanden ist. Irgendetwas muss die Maschine angegriffen haben, irgendeine Flüssigkeit oder Säure. Vielleicht auch starke Hitze.« Tatsächlich sah das Metall an manchen Stellen regelrecht verrostet aus.
    Â»Reisen in die Zukunft, die weiter als nur einige Tage entfernt ist, sind natürlich hochgefährlich«, bemerkte er. »Bei einer Reise in die Vergangenheit kann ich zuvor nachforschen, was mich an meinem Zielort erwartet. Ich muss dafür nur in ein Geschichtsbuch schauen. Bei einer Reise in die Zukunft kann ich nie wissen, ob es die Welt an meinem Zielzeitpunkt überhaupt noch gibt. Pfefferkorn und ich waren uns einig, dass Zukunftsreisen ein Tabu sind. Nur bei Zeitreisen in die Vergangenheit ist das Risiko überschaubar.« Er fuhr mit der Hand über das Metall. »Seltsam«, murmelte er. »Sehr seltsam. Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden. Ich muss Wilmas Aufzeichnungen auswerten. Hoffen wir, dass sie uns etwas Brauchbares hinterlassen hat.«

4
    Dienstag, 8.   Juni 1895 …
    H umboldt tauchte den ganzen restlichen Tag nicht mehr auf. Dafür aber immer mehr Reporter, die Fritz Ferdinands Bericht gelesen hatten und wissen wollten, ob an der Sache etwas dran war. Oskar und die anderen hatten alle

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