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Chroniken der Weltensucher – Das Gesetz des Chronos

Chroniken der Weltensucher – Das Gesetz des Chronos

Titel: Chroniken der Weltensucher – Das Gesetz des Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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die Tür und machten sie zu. Es wurde dunkel. Das Licht im Giebelfenster erlosch. Der Morgen verschwand und die Nacht brach herein. Die elektrischen Entladungen an den Ringen spendeten ein bisschen Helligkeit. Das Sausen und Rotieren der Ringe nahm weiter zu. Charlotte öffnete ihre Jacke. Sie war noch nicht am untersten Knopf angelangt, als es plötzlich wieder hell wurde. Ein schönes, warmes Abendlicht. Der Lichtstrahl fiel durch das Giebelfenster und wanderte wie ein leuchtender Finger über den Boden. Dann verlosch er wieder. Kaum mehr als zehn Sekunden. Sollte das etwa ein ganzer Tag gewesen sein? Kaum hatte sie sich an den Gedanken gewöhnt, als es auch schon wieder hell wurde. Und wieder dunkel.
    Drei Sekunden.
    An und aus.
    Eine Sekunde.
    An, aus.
    An, aus.
    Immer schneller und schneller rotierten die Ringe, immer schneller wechselten sich Tag und Nacht ab. Das kalte, elektrische Leuchten der Ringe schwoll an. Es flirrte und schimmerte, dass sie die Augen schließen musste. Die Luft wurde stark verwirbelt. Als säße sie inmitten eines elektrischen Sturms.
    Tag, Nacht, Tag, Nacht, Tag, Nacht.
    In einem schneller und schneller werdenden Stakkato flirrte die Zeit an ihr vorüber. Dann, mit einem Schlag, war die Hütte verschwunden. Dichter grüner Wald umgab sie. Die Tage und Nächte wechselten einander so schnell ab, dass die Welt in sanftes Dämmerlicht getaucht wurde. Dann verschwanden die Blätter. Ein kaltes Weiß überzog den Wald. Es war Winter. Dann kamen Herbst, Sommer und Frühling. Der Rausch der Farben war überwältigend. Ein ganzes Jahr in nicht mal einer Minute.
    Humboldt drehte sich zu ihnen um und rief: »Gefällt es euch?«
    Â»Es ist unglaublich«, rief Charlotte. »Ich hätte nie gedacht, dass es so gut funktionieren würde.«
    Â»Das war noch gar nichts. Was meint ihr, Kinder, wollen wir mal richtig Stoff geben? Los, Heron. Zeig, was die Maschine draufhat.«
    Â»Befehl entgegengenommen. Maximale Schubkraft.«
    Charlottes Mund blieb vor Erstaunen offen stehen. Sie hatte gedacht, das wäre schon alles gewesen. Ganz offensichtlich ein Irrtum. Denn während sie sich noch fragte, wie stark maximale Schubkraft wohl sein mochte, explodierte die Welt um sie herum in einem Feuerwerk aus Licht, Farbe und Donnergrollen. Sie fühlte, wie sie in den Strom der Zeit gespült und auf seinen Wellen und Wogen in eine unbekannte Vergangenheit gerissen wurde.

18
    Donnerstag, 17.   Juni 12.895   v.   Chr. …
    O skar fand sich kopfüber in einer Schneewehe wieder. Sich hektisch aufrichtend, klopfte er die weißen Flocken von seiner Kleidung und sah sich um. Wo zum Geier war er? Sein Atem kondensierte zu kleinen Wölkchen.
    Es war kalt hier, verdammt kalt.
    Von einem tiefblauen Himmel schien eine gnadenlose Sonne auf ihn herab. Der Schnee leuchtete so hell, dass er seine Augen gegen das Licht verschließen musste. Die Hände vor das Gesicht gepresst, spähte er durch die Schlitze zwischen seinen Fingern hindurch. Schnee, Schnee und nochmals Schnee, so weit das Auge reichte. Ein paar niedrige Büsche, ein paar Birken, das war’s. Kein Haus, keine Siedlung – kein Zeitschiff.
    Was war das für eine Gegend?
    Wo waren die anderen?
    Die Luft schmeckte nach Eis. Die Kälte unterband jeden Gedanken. Er schlang die Arme um seinen Körper.
    Er wusste noch, wie Humboldt etwas von Vollgas gesagt hatte, danach verschwammen die Erinnerungen. Blendendes Licht, ohrenbetäubender Lärm und ein heftiger Sturmwind – das war alles, was ihm noch einfiel. Er musste ohnmächtig und aus dem Zeitschiff geschleudert geworden sein, anders war das alles nicht zu erklären.
    Er stand auf und machte ein paar knirschende Schritte, dann blieb er stehen. Plötzlich fiel es ihm wieder ein. Er hatte sich nicht angeschnallt. Und das, obwohl sein Vater sie doch extra noch einmal ermahnt hatte. In der Hektik und Aufregung musste er es glatt vergessen haben. Wilma war auf seinen Schoß gehüpft und dann hatte das Zeitschiff angefangen zu scheuen und bocken wie ein junges Pferd. Dann endeten die Erinnerungen. Kein Zweifel: Es hatte ihn mitten in der Fahrt herausgeschleudert.
    Oskar trampelte auf der Stelle herum. Wenn das stimmte, hatte er ein mächtiges Problem. Wie sollten die anderen ihn wiederfinden? In der Zeit herumreisen und nach ihm Ausschau halten? Das konnte dauern. Bis dahin wäre er längst erfroren.

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