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Chroniken der Weltensucher – Das Gesetz des Chronos

Chroniken der Weltensucher – Das Gesetz des Chronos

Titel: Chroniken der Weltensucher – Das Gesetz des Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Wehmütig dachte er an das Zelt, die wärmende Kleidung und den Proviant. Alles an Bord des Zeitschiffes.
    Ein Gefühl überwältigender Einsamkeit überfiel ihn. Wie gerne hätte er jetzt seine Freunde an seiner Seite gehabt. Er glaubte sogar, ihre Stimmen zu hören, aber das konnte nur Einbildung sein. Sie waren weit weg. Eine Suche in der Zeit, das war schlimmer als eine Suche im Heuhaufen.
    Apropos Heuhaufen: Das wäre etwas, was er sich jetzt durchaus gewünscht hätte. Es war bitterkalt und ein heftiger Wind wehte von Osten. Noch einmal ließ er seinen Blick in alle Richtungen schweifen. Die schneebedeckte Ebene wirkte auf einmal viel bedrohlicher. Oskar hatte lange genug auf der Straße gelebt, um zu wissen, dass man bei solchen Temperaturen nicht lange überleben konnte. Mit seiner dünnen Jacke würde es keine Stunde dauern, bis er zu einem Eiszapfen erstarrt war.
    Einen halben Kilometer entfernt sah er eine Ansammlung von Birken. Nackt und kahl reckten sie ihre Äste in den wolkenlosen Himmel. Vielleicht fand er dort eine geschützte Stelle.
    Mit schnellen Bewegungen türmte er einen Schneehaufen als Markierungspunkt auf und stapfte dann in Richtung des Wäldchens.
    Die Bewegung tat ihm gut. Sie regte den Kreislauf an und setzte Gedanken frei. In welcher Zeit befand er sich? Am Ende ihrer Fahrt, kurz bevor er ohnmächtig geworden war, hatte er das Gefühl gehabt, die Jahrzehnte wären nur so an ihnen vorübergeflogen. Wenn er sich hier so umsah, spürte er, dass viele Jahrhunderte vergangen sein mussten. Die Stadt Berlin existierte seit dem Mittelalter. Irgendwann im dreizehnten Jahrhundert war die Spreeinsel besiedelt worden, davor hatte es hier nur vorübergehende Niederlassungen von Germanen und anderen Stämmen gegeben. Auch das Fehlen der Bäume deutete darauf hin, dass sie einen recht großen Sprung getan haben mussten. Und dann diese Birken. Er war kein Spezialist in Sachen Pflanzenkunde, aber gehörte die Birke nicht eher in den skandinavischen Raum?
    Sein Kopf begann zu schmerzen. Das Nachdenken strengte ihn an. Er musste dringend etwas gegen den Wärmeverlust unternehmen. Er zog sich die Jacke über den Kopf und begann zu rennen.
    Der Schnee lag an manchen Stellen mehrere Meter hoch. Immer wieder sackte er bis zu den Knien ein und musste sich mühsam befreien. Es war eine qualvolle Strecke, doch nach einer gefühlten Unendlichkeit erreichte er endlich sein Ziel.
    Was aus der Ferne nicht zu erkennen gewesen war, war, dass die Bäume sich auf einer kleinen Anhöhe gruppierten. Der Schnee lag hier weniger hoch als in der Ebene. An manchen Stellen lugte sogar trockenes Gras hervor. Oskar begann damit, die weißen Flocken beiseitezufegen und eine Fläche von etwa vier Quadratmetern freizulegen. Der Boden war dicht bedeckt mit Ästen, Zweigen und trockenem Laub. Aufgewärmt von der Arbeit, zog er Jacke, Hemd und Unterhemd aus und legte sie neben sich auf den Boden. Er musste jetzt sehr schnell handeln. Seine Hände waren beinahe gefühllos. Er band das Unterhemd um seinen Kopf und polsterte es mit Gräsern und trockenem Laub aus. Das mochte zwar bescheuert aussehen, aber es wärmte seinen Kopf, über den ein Mensch erfahrungsgemäß die meiste Wärme verlor. Dann war der Oberkörper dran. Hemd und Jacke zog er wieder an und stopfte Laub und trockene Gräser hinein. Am Schluss stopfte er seine Hose in die Socken und polsterte auch diese mit Laub aus. Natürlich war das nicht sehr bequem. Es stach und juckte und vermutlich sah er jetzt aus wie eine Vogelscheuche, aber er spürte, wie seine Polsterung die Kälte abhielt. In den eisigen Wintern in Berlin hatte er zusammengeknüllte Zeitungen benutzt, die waren auch nicht viel bequemer.
    Langsam kehrte das Gefühl in seine Arme und Beine zurück. Für den Augenblick war er gerettet. Trotzdem, auf Dauer würde das nicht ausreichen. Spätestens wenn die Nacht kam, würde er erfrieren.
    Er wühlte in seinen Taschen in der Hoffnung, sein heiß geliebtes Benzinfeuerzeug zu finden. Und tatsächlich, da war es. Ein Glück, dass er sich nie davon trennte. Ein Beutestück aus einem seiner ersten Einbrüche.
    Er drehte am Zündstein. Sofort züngelte eine kleine Flamme empor. Mit einem zufriedenen Lächeln schloss Oskar den Deckel wieder. Er hatte Holz, er hatte Laub und jetzt hatte er auch noch ein Feuerzeug. Damit ließ es sich

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