Chroniken der Weltensucher – Das Gesetz des Chronos
und doch saà ich hier fest. Die Zeit zerrann mir zwischen den Fingern.«
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U nd wie gelang es dir dann, aus der Stadt zu fliehen?«
»Wo war das Zeitschiff und was wurde aus Behringer?«
Oskar wurde mit so vielen Fragen bestürmt, dass Charlotte die Hand heben musste. »Jetzt immer mit der Ruhe. Ich bin sicher, Oskar wird uns alles erzählen. Und wenn ihr dann noch Fragen habt, wird er bestimmt alle beantworten.«
»Das werde ich«, sagte Oskar und schob noch ein Stück Brot in den Mund. Schlagartig wurde es wieder mucksmäuschenstill in der Küche.
Oskar lehnte sich zurück und faltete die Hände hinter dem Kopf. »Die Geschichte unserer Flucht ist tatsächlich die seltsamste von allen«, sagte er. »Sie ist so unglaublich, dass ich selbst immer noch erstaunt bin, wie sich alles zugetragen hat. Tatsächlich habe ich mein Leben diesem kleinen Blechkasten hier zu verdanken.« Er klopfte auf Herons Gehäuse.
»Wie das?«, fragte Humboldt.
»Dazu komme ich gleich«, erwiderte Oskar. »Das Gefängnis war eine höchst komfortable Einrichtung mit Stühlen, Tischen, Bänken und Liegen. Nicht so wie unsere Gefängnisse, sondern modern, gepflegt und sauber. Wir wurden in unsere Unterkünfte gebracht, gebadet und eingekleidet und verbrachten auf diese Weise mehrere Tage zusammen mit den anderen Gefangenen. Es gab verschiedene Spiele, kleine Bilderrahmen, auf denen bewegte Bilder gezeigt wurden, Badezimmer zur Körperpflege und regelmäÃiges Essen, das leider ziemlich eintönig schmeckte. Davon abgesehen ging es uns wirklich gut. Die Druul schienen groÃen Wert darauf zu legen, dass es ihren Haustieren an nichts mangelte. Das Beste war, dass die Seitenwände des Gebäudes komplett aus Glas bestanden, sodass wir einen herrlichen Ausblick über die gesamte Stadt hatten. Von dort aus konnte man nicht nur die vielen Gebäude bewundern, sondern auch die Standbilder, die die Roboter ihren groÃen Führern zu Ehren errichtet hatten. Sie zeigten Darstellungen von berühmten Persönlichkeiten, wie es bei uns ja auch der Fall ist. Eine Form war besonders auffällig. Am Schlossplatz auf der Museumsinsel stand das gröÃte Denkmal von allen. Ein riesiger, etwa vierzig Meter hoher Koloss aus schwarzem Stahl und mit Goldeinlagen verziert. Die eine Hand hielt ein Buch, die andere war an seine Stirn gelegt, so als würde er in die Ferne spähen. Eine sehr heroische Pose, doch im Gegensatz zu all den anderen Standbildern mit ihren schlanken, grazilen GliedmaÃen wirkte dieser hier ziemlich klobig, ja geradezu unbeholfen. Als hätte ihn ein Kind gebaut.
Ich fragte Tezz danach und sie sagte mir, das sei der Gründer des Druul-Imperiums. Der Erste , wie die Druul ihn nannten.
Er sei eine Art Prototyp. Ihr Vater hatte ihr von ihm erzählt. Irgendein genialer Erfinder muss diesen ersten aller Roboter vor Urzeiten konstruiert und zum Leben erweckt haben. Es war die erste selbstständig denkende und sprechende Maschine der Welt, das Urbild aller Druul. Nach seinen Plänen wurden immer neue und immer gröÃere Maschinen errichtet. Die GröÃe des Standbildes würde täuschen, der Erste sei in Wirklichkeit nicht gröÃer als ein Kind.
Der Erste . Der Begriff ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Die Geschichte war faszinierend. Diese Welt war so beängstigend, so kalt und abstoÃend, aber andererseits war sie auch geheimnisvoll und wunderbar. Es gab so viel zu erfahren, dass ich gar nicht merkte, wie die Zeit verstrich.
Tage vergingen. Ich hatte Gelegenheit, mich von den Strapazen zu erholen und mir die Geschichten in diesen flimmernden Bilderrahmen anzuschauen. Die bewegten Bilder, die dort gezeigt wurden, waren wirklich gut. Manche spannend, manche traurig, die meisten aber irrsinnig komisch. Ich verbrachte Stunde um Stunde davor und bekam gar nicht genug davon. Doch wenn abends die Geräte abgeschaltet wurden und ich vor dem Fenster saà und über die blinkenden Lichter der Stadt hinweg in die Ferne schaute, musste ich an euch denken und bekam Heimweh. Dann spürte ich wieder, dass ich unbedingt hier wegmusste.
Die Ereignisse nahmen eine unerwartete Wendung, als wir am Morgen des dritten Tages in aller Frühe von einem durchdringenden, lang anhaltenden Ton aus dem Schlaf gerissen wurden. Ich fuhr auf und rieb mir die Augen. Auch die anderen Gefangenen waren erwacht. Müde und ratlose Gesichter
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