Chroniken der Weltensucher – Das Gesetz des Chronos
später übernahmen das die Maschinen selbst. Maschinen, die Maschinen programmierten. Das war der Beginn vom Untergang der Menschheit. Und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Das Standbild auf dem Schlossplatz, diese vierzig Meter hohe Skulptur aus Stahl und Gold â das war Heron. Bis auf die Niete genau.« Oskar grinste. »Verrückt, oder?«
Alle schwiegen. Niemand wusste, ob Oskar sich nur einen Scherz mit ihnen erlaubte. Aber nach allem, was sie bis jetzt zu glauben bereit gewesen waren, setzte das der Sache jetzt doch die Krone auf.
»Das ist nicht verrückt, das ist unmöglich«, stieà Humboldt aus. »Absolut hirnrissig. Wieso sollte ausgerechnet Heron �«
»Wenn du mir nicht glaubst, frag ihn.« Oskar deutete auf Heron. »Er hat unsere gesamte Reise aufgezeichnet und wird alles bestätigen. Und du weiÃt ja, dass er unfähig ist zu lügen. Frag ihn. Alles, was ich euch erzählt habe, ist wahr.«
Alle blickten auf die kleine Automateneinheit, die einfach nur dastand und sie aus ihren schmalen Augenschlitzen ansah. Heron sah so harmlos aus, so klein, so unscheinbar, dass man kaum auf den Gedanken kommen konnte, dass er dereinst für den Untergang der Menschheit verantwortlich sein sollte.
Humboldt schien nicht zu wissen, was er zu der ganzen Angelegenheit sagen sollte. Charlotte aber spürte, dass Oskar die Wahrheit sagte. Sie kannte ihn mittlerweile gut genug, um zu erkennen, wenn er schwindelte.
»Na gut«, sagte der Forscher. »Ehe ich nachher Herons Speicher auswerte, erzähl deine Geschichte noch zu Ende. Ich bin gespannt, wie die Maschinen auf diese Rettungsaktion reagierten.«
»Da gibt es nicht viel zu erzählen«, fuhr Oskar fort. »Heron berichtete den Druul von unserer Reise und seinem Auftrag, mich wieder in meine richtige Zeit zurückzubringen. Er fügte nichts hinzu und lieà nichts aus. Er konnte seinen Artgenossen nichts verheimlichen, denn sie hatten bereits seinen gesamten Speicher geprüft und wussten, was geschehen war. Auf ihre Frage, ob er mit mir in seine Zeit zurückkehren wolle, antwortete er mit Ja. Das verursachte erst mal groÃe Aufregung. Die Maschinen baten, er möge doch bei ihnen bleiben, aber er sagte, er dürfe die natürliche Ordnung nicht durcheinanderbringen und wolle einen Riss in der temporalen Struktur vermeiden. Alles sehr technisch. Die Roboter verstanden ihn, entlieÃen uns und brachten uns zurück an die Stelle, wo das Zeitschiff abgestellt war. Es war gar nicht weit von dem Ort entfernt, wo Behringer und ich gesucht hatten, aber weil es auf Stasis geschaltet war, konnten wir es nicht sehen. Die Maschinen beobachteten, wie wir einstiegen, warteten geduldig und winken uns zum Abschied Lebewohl. Nicht ohne ein Gefühl der Trauer, wie ich vermute. Ich glaube, es hat ihnen viel bedeutet, ihren Gründer und Vorsitzenden noch einmal sehen zu dürfen. Ich will diesen Maschinen nicht unbedingt religiöse Gefühle unterstellen, aber sie wirkten ziemlich ehrfürchtig.«
»Und Behringer?«
»Als klar wurde, dass Heron nicht vorhatte, ihn mitzunehmen, hat er natürlich Zeter und Mordio geschrien. Aber es hat ihm nichts genützt. Er musste im Gefängnis bleiben und darf sein Leben künftig als Haustier der Druul verbringen. Oder er besinnt sich, begleitet Tezz und schlieÃt sich dem Widerstand an. Ich halte beides für möglich. Doch was immer er tut, ich habe keinen Funken Mitleid mit ihm. Nach allem, was er uns angetan hat, ist diese Strafe mehr als verdient. Wartet mal, da fällt mir etwas ein. Ich habe hier noch etwas. Tezz hat es mir mitgegeben. Ein kleines Souvenir aus der Zukunft.«
Er legte etwas auf die Holzplatte, das in ein fleckiges Taschentuch gewickelt war, und schob es zu ihnen herüber.
»Was ist das?«, fragte Humboldt.
»Mach es auf.«
Der Forscher schnappte danach und entfernte das Taschentuch.
Dann beugte er sich vor. Seite um Seite war eng beschrieben mit einer klaren gestochenen Handschrift. Das Papier wirkte, als bestünde es aus dünn gewalzter Metallfolie.
»Das ist das Buch, das Tezzâ Vater über die Druul verfasst hat. Es ist ziemlich aufschlussreich, wie ich finde.«
Humboldt betrachtete das Buch und blätterte interessiert darin herum. Auf einigen Seiten waren alte, verblichene Zeitungsartikel eingeklebt.
»Schaut mal hier, das Datum dieses Artikels«, sagte
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