Chronos
sein.«
Was war los? »Vielleicht ist er betrunken.«
»Möglich. Aber es sieht ihm gar nicht ähnlich, hier anzurufen. Ich denke, wir sollten uns beeilen.«
Sie gingen zu Fuß. Joyce rannte fast und machte sich offensichtlich große Sorgen. Tom war mehr verwirrt als besorgt, aber er machte keine Anstalten, sie zu bremsen.
Sie vergeudeten keine Zeit. Aber sie kamen trotzdem zu spät.
Eine Menschenmenge drängte sich im Treppenhaus, und in der Ferne erklang eine Sirene. Auf der Treppe überall Blut, Blut an den Wänden, Blut, das unter der Tür von Millsteins Apartment hervorgequollen war, eine unglaubliche Menge Blut. Tom versuchte, Joyce zurückzuhalten, aber sie riss sich von ihm los und schrie Lawrences Namen mit einer Stimme, die bereits voller Trauer war.
15
Eingehüllt in seine Rüstung, wachsam und vollständig mit Energie aufgeladen, identifizierte Billy das blaue Leuchten an der Apartmenttür und stellte sein Sichtgerät auf Breitbandfunktion. Sein Herz schlug in seiner Brust wie eine herrliche Maschine, und seine Gedanken waren schnell und klar.
Der Korridor war leer. Der empfindliche Sinnesapparat Billys katalogisierte den Geruch von Weißkohl, Kakerlakengift, schimmeligem Linoleum; das blasse Blumenmuster der Tapete; die behutsamen Schritte und den Druck seiner Füße auf dem Fußboden.
Er brannte das Schloss mit einem Fingerlaser auf und bewegte sich mit einem Tempo durch die Tür, dass die Angeln ein leises Quietschen von sich gaben, als seien sie überrascht worden.
Er schloss die Tür hinter sich.
Das Apartment war lang gestreckt und hatte einen rechteckigen Grundriss. Eine Tür, offen, führte in die Küche, und eine andere Tür, geschlossen, wahrscheinlich in das Schlafzimmer. Durch ein Fenster am Ende des rechteckigen Raums war die nächtliche Silhouette der Con-Edison-Schornsteine in der Fourteenth Street zu erkennen. Ein Vorhang war mit einem Band zusammengerafft, das an einem einzelnen Nagel befestigt war. Die Wand zur Linken war mit Bücherregalen bedeckt.
Der Raum war leer.
Billy stand einen Moment lang da und lauschte.
Dieser Raum und die Küche waren leer ... aber er hörte aus dem Schlafzimmer ein leises Rascheln.
Er lächelte und öffnete diese Tür genauso schnell wie die erste.
Dieser Raum war kleiner und sogar noch schäbiger. Die Wände waren kahl bis auf einen notdürftig gerahmten Druck von einem abstrakten Gemälde. Das Bett bestand aus einer Matratze auf dem Fußboden. In dem Bett lag ein Mann.
Billys Lächeln erstarb, denn das war nicht der Mann, dem er von Lindner's gefolgt war.
Dies war ein anderer Mann. Dieser war groß und schmalbrüstig. Er war nackt, zog ein Baumwolllaken über sich und blinzelte Billy in der Dunkelheit mit vor Verwunderung, weit aufgerissenem Mund an.
»Wer, zum Teufel, sind Sie?«, fragte der Mann auf der Matratze.
»Aufstehen«, befahl Billy.
Der Mann stand nicht auf.
Er weiß nicht, wer ich bin , erkannte Billy. Er denkt, ich bin ein alter Mann mit einer Motorradbrille. Es ist dunkel; er kann nicht sehr gut sehen. Vielleicht hält er mich für einen Dieb.
Billy korrigierte diesen Eindruck, indem er neben dem ausgestreckten linken Arm des nackten Mannes ein Loch in die Matratze brannte. Das Loch war groß und tief. Es stank nach versengtem Kapok und Baumwolle und nach dem Bohnerwachs auf dem Holzfußboden darunter. Das Loch war schwarz und begann sofort an den Rändern zu brennen. Der nackte Mann stieß einen Schrei aus und erstickte die Flammen mit seiner Decke. Dann sah er zu Billy hoch, und Billy genoss die Angst in seinen Augen. Es war die Art von Angst, die ihn gehorsam und beeinflussbar machte, noch nicht die panikartige Furcht, die ihn unberechenbar werden ließ.
»Aufstehen«, wiederholte Billy.
Als er stand, war der Mann ziemlich groß, aber zu dünn. Billy fühlte sich durch den schütteren Bartsaum, die sich deutlich abzeichnenden Rippen, das Zittern der Hüftknochen abgestoßen. Sein Penis und das verschrumpelte Skrotum baumelten mitleiderregend zwischen seinen Beinen.
Billy stellte sich vor, wie er den Fleischsack wegbrannte und damit diesen Mann in ähnlicher Weise veränderte, wie die Infanterieärzte es mit ihm getan hatten ... aber das war keine vernünftige Taktik.
»Wo ist der Mann, der hier wohnt?«, fragte Billy.
Der nackte Mann schluckte zweimal und erwiderte: »Ich bin der Mann, der hier wohnt.«
Billy ging zur Wand und knipste die Beleuchtung an. Das Licht kam von einer Sechzig-Watt-Birne, die an
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